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Kirchengeschichte - Obergriesheim

Als um das Jahr 30 ein jüdischer Wanderprediger namens Jesus von Nazareth durch Galiläa und Judäa zog und ein Gottesreich verkündete, war Obergriesheim möglicherweise gar nicht mehr besiedelt.
Nach der Kreuzigung Jesu durch die Römer breitete sich seine Lehre rasch aus. Es ist nicht auszuschließen, dass auch die Soldaten, die im 2. Jahrhundert im Auftrag Roms am Odenwaldlimes in Obergriesheim Wache schoben und die Bauern, die zu Beginn des 3. Jahrhunderts die Gutshöfe im Obergriesheimer Mäurich und in der Ebene bewirtschafteten, von Jesus hörten. In dieser Zeit war es allerdings gefährlich, sich zu ihm zu bekennen. Von den Römern wurde Christsein mit dem Tode bestraft. Ein Beispiel dafür ist Nazarius, der in der Urkunde von 767 mit der erstmaligen Erwähnung unseres Dorfes als Schutzpatron des Klosters Lorsch genannt ist. Er war ein römischer Soldat, der zum Christentum übergetreten war und deshalb um 304 den Märtyrertod sterben musste.
Um 260 kamen die Alamannen nach Obergriesheim. Sie verehrten noch bis ins 7. Jahrhundert hinein die germanischen Gottheiten.
Obergriesheim geht wohl auf eine im 5. Jahrhundert erfolgte Gründung durch die Franken zurück. Auch wenn sich deren König Chlodwig aus eher machtpolitischen Gründen zwischen 497 und 507 taufen ließ, vergaßen seine Franken ihre heidnischen Götter nicht von einem Tag auf den andern. Es dauerte wahrscheinlich bis in das 8. Jahrhundert hinein, bis sich das Christentum auch rechts des Rheins ausbreitete. Sonst hätte es der Papst wohl kaum für notwendig gehalten, den heiligen Bonifatius als Missionar zu den Franken zu schicken. Bonifatius gründete 741 das Bistum Würzburg, zu dem Obergriesheim jahrhundertelang gehörte. Als unser Dorf Eingang in die Lorscher Schenkungsurkunden fand, gab es auf dem Michaelsberg bei Gundelsheim bereits eine christliche Basilika.

Wann in Obergriesheim die erste Kirche errichtet wurde, ist nicht bekannt. Aus Knochenfunden in der Flur Käppele (heute Heidelbergerstr. 19) könnte geschlossen werden, dass sich dort ein Friedhof mit einer Kirche befunden hat. Im Mittelalter war es üblich, den Friedhof um die Kirche herum anzulegen.
1396 wird mit Johann Holtzapfel erstmals ein Obergriesheimer Pfarrer genannt. Dementsprechend muss es auch eine Kirche gegeben haben. Der frühere Bad Friedrichshaller Stadtarchivar Hantsch meint, dass bereits um das Jahr 1000 ein Mauritiuspatrozinium in Obergriesheim entstand.

1362 bis 1484 übte zwar der Erzbischof von Mainz die weltliche Herrschaft über unser Dorf aus. Kirchlich blieb Obergriesheim jedoch beim Bistum Würzburg.

1447 wurde das Karmeliterkloster in Heilbronn gegründet, das bis 1806 die meisten Priester in Obergriesheim stellte. Der Deutschorden, der 1484 unser Gebiet vom Erzbistum Mainz übernahm, betrieb hier keine Seelsorge. Die Ernennung eines Obergriesheimer Pfarrers in der Deutschordenszeit war eine komplizierte Angelegenheit. Das Karmeliterkloster Heilbronn schlug einen Priester vor (Präsentationsrecht). Der präsentierte Priester hatte sich dem weltlichen Herrn, von 1484 bis 1806 also dem Deutschorden, vorzustellen und wurde von ihm bestätigt (Nominationsrecht). Danach wurde der Vorgang vom Bistum Würzburg geprüft (Cura-Examen). Bestanden keine Einwände, folgte die Collatur, d. h. das Karmeliterkloster verlieh nun dem Geistlichen die Pfarrei. Die Investitur in der Gemeinde erfolgte in Anwesenheit des Karmeliterpriors und des Deutschordensamtmannes.

Wie eine Quelle zur Verpflichtung des Pfarrers Leonhard Wild (1501 bis 1511) zeigt, spielte bei der Amtsausübung der Pfarrer nicht nur die Sorge um das geistliche Wohl der Gemeinde eine Rolle, sondern auch das Interesse am Besitz des Karmeliterklosters in Obergriesheim. Neben einem Anteil am Zehnten stand dem Pfarrer Land zu, das er bewirtschaftete. Darüber gab es immer wieder Streit.

Am Nach-Nachfolger Wilds, dem Pfarrer Martin Faber, erlebten die Obergriesheimer die Reformation hautnah. Der Presbyter Faber dankte den Karmelitern ihre Gutmütigkeit, ihn hier ausnahmsweise Pfarrer werden zu lassen, schlecht. Er trat zum protestantischen Glauben über. Nach der Niederschlagung des Bauernkrieges wurde er sogar beschuldigt, bemalte Tücher aus der Kirche gestohlen zu haben und mit Obergriesheimer Bauern bei der Brandschatzung von Burg Horneck beteiligt gewesen zu sein.

Die Obergriesheimer Pfarrei scheint als Existenzgrundlage ganz interessant gewesen zu sein. Einem im Heilbronner Urkundenbuch abgedruckten Briefwechsel von 1522 ist zu entnehmen, dass einem jungen Heilbronner namens Albrecht Müller die Aufnahme ins Karmeliterkloster und später die Pfarrei in Obergriesheim versprochen worden sei. Im Kloster wollte man den jungen Mann wieder loswerden, weil er im Singen und Lesen Schwächen zeigte. Müller gab aber nicht so leicht auf und ließ seine Beziehungen zum Komtur von Horneck spielen, dem er den Hinweis gab, dass es im Kloster auch nicht immer ordentlich zuginge. So durfte er im Kloster bleiben. Auf der Liste der Obergriesheimer Pfarrer taucht Albrecht Müller nicht auf.

Das wohl älteste Obergriesheimer Kunstwerk ist die Statue der Anna Selbdritt. Sie stellt die heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und deren Kind Jesus dar. Nach den Aufzeichnungen des Pfarrers Riegel (sein Grabstein befindet ich noch auf dem Friedhof) in der Pfarrchronik befand sich die Figur neben anderen wertlosen Statuen auf dem Hochaltar. Da sie dick mit weißer Ölfarbe bestrichen war, wurde sie dem Ulmer Bildhauer Federlin zur Restauration übergeben. Federlin, der die Statue stilgerecht wiederherstellte und fasste, hielt sie für ein Werk Jörg Syrlins oder seiner Schule. Jörg Syrlin der Ältere war ein berühmter Bildhauer, der von 1469 bis 1474 das weltberühmte Chorgestühl des Ulmer Münsters schuf, sein nicht ganz so berühmter Sohn Jörg Syrlin der Jüngere lebte von 1455 bis 1521. Ob die Obergriesheimer die Statue unmittelbar vom Künstler erworben haben, ist fraglich. Pfarrer Riegel nahm an, dass sie im Zuge der Auflösung des Heilbronner Karmeliterklosters im Jahr 1806 hierher kam.

Zu den ältesten Gebäuden in Obergriesheim gehört der Kirchturm, dessen Unterbau aus der Zeit der Gotik, der obere Aufbau als Achteck aus der Zeit der Renaissance stammt. Am Kirchturm ist das Wappen das Wappen des Deutschordenskomturs Ernst von Buseck angebracht, dessen Jahreszahl "1593" inzwischen fast vollständig ein Opfer des sauren Regens geworden ist. Warum die damals neuerbaute Kirche vom Würzburger Weihbischof Julius Sang erst 1604 geweiht wurde, ist nicht bekannt. Dem Kirchenbuch lässt sich nur entnehmen, dass das Gotteshaus der Mutter Gottes geweiht wurde. Um die Kirche herum dürfte der Friedhof gelegen haben. Als 1970 bis 1974 die Kirche renoviert wurde und Heizungsschächte ausgehoben wurden, fand man viele sterbliche Überreste. Daraus wird deutlich, dass die 1593 errichtete Kirche wesentlich kleiner war als die heutige, im Jahr 1901 fertiggestellte Kirche.
Eine wertvolle Quelle für die Geschichte Obergriesheims sind die Kirchenbücher. Die älteren Bände werden heute im Diözesanarchiv Rottenburg aufbewahrt, die jüngeren - ab dem 20. Jahrhundert - befinden sich noch in der Pfarrei. Das interessanteste der Kirchenbücher ist wohl der im Diözesanarchiv Rottenburg unter "B 1" erfasste Registerband. Er umfasst den Zeitraum zwischen 1602 und 1790 und enthält Berichte über die Altarweihen 1604, 1643 und 1664, die Taufen 1602 bis 1789, die Trauungen 1602 bis 1788, die Firmungen 1656 bis 1785 und die Beerdigungen 1602 bis 1790. Die Eintragungen wurden von den jeweiligen Obergriesheimer Pfarrern vorgenommen. Da sich diese nicht nur auf nackte Personenstandsangaben beschränkten, geben sie oft auch Auskunft über harte Schicksalsschläge, die die Gemeinde oder einzelne ihrer Mitglieder trafen. So lautet z. B. eine Eintragung über einen an der Pest verstorbenen Mitbürger: "1626 10. Decembris, ist Hanß Zettler weilandt wirth alhier, gleichfals an der bösen Sucht gestorben, hatt im Todtbeth, nach der Beicht, zehn gulden in die Kirche verschafft, Und 1 Malther Dinckell verbacken, und an die armen außtheilen lassen."

Im Inneren der Kirche, am Treppenaufgang zur Empore, befindet sich das Grabmal der Familie Grohe. Jahrzehntelang war es an der Außenwand angebracht. Um den Sandstein vor schädlichen Witterungseinflüssen zu schützen, wurde das Bildwerk im Rahmen der Kirchenrenovation in den 1970-er Jahren ins Innere der Kirche verbracht. Nach einer Legende soll es die letzten Obergriesheimer zeigen, die die Pest im Dreißigjährigen Krieg überlebt haben. Ein Vöglein soll sie dazu bewegt haben, Bibernellentee zu trinken und sie dadurch gerettet haben. Das Vöglein soll auf einem Glasbild zu sehen sein, das sich heute im Besitz von Paul Maier befindet und das auch im Heimatbuch "1250 Jahre Obergriesheim - Eine Spurensuche -" abgebildet ist. Nun ist zwar Bibernell ist eine Heilpflanze, doch lässt sich anhand der Kirchenbücher leicht widerlegen, dass außer den Grohes auch noch andere der damals etwa 200 Einwohner Obergriesheims überlebt haben. In dem alten Glasbild ist genau die Szene mit dem Kreuz und den Beterinnen und Betern dargestellt, die auch das Grabmal der Familie Grohe in der Kirche zeigt. Die Beziehung zwischen dem Grabmal der Grohes und dem Glasbild ließ sich aber bisher nicht nachvollziehen. Vielleicht handelt es sich bei dem Glasbild um den Teil eines früheren Kirchenfensters, in dem dessen Stifter dargestellt sind. Anlässlich des Jubiläumsjahres haben viele Obergriesheimer Bibernellentee probiert und auch dafür gesorgt, dass die hier praktisch ausgestorbene Bibernelle, ein Doldenblütler, hier wieder Fuß fassen darf.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben, zu denen z. B. auch das Schulwesen gehörte, brauchte die Kirche auch in früheren Jahrhunderten Geld. Eine Art Kirchensteuer war der schon in der Bibel erwähnte Zehnt. Neben den vielen anderen Abgaben hatten die Obergriesheimer den Großen und den Kleinen Zehnten zu leisten. Der Große Zehnt bezog sich auf Getreide und Heu, der kleine Zehnt auf die übrigen Feldfrüchte. Das Urbar (Besitzrechtsverzeichnis) für das Amt Scheuerberg aus dem Jahr 1554 führt aus, dass der Groß- und Kleinzehnt in Obergriesheim zu 1/3 dem dortigen Pfarrer, zu 2/9 dem Spital zu Mospach und zu 4/9 den Stiftsherren von Wimpffhaim im Thall zustehe. Außerdem waren aber auch noch das Chorherrenstift Comburg (bei Schwäbisch Hall) und das Klostertal Schöntal in Obergriesheim begütert. Zur Erhebung des Großen Zehnten erschien der Zehntknecht nach der Ernte auf den Feldern und stieß mit einer Stange jede zehnte Garbe um. Im Bauernkrieg wurde der Zehnte von den Bauern nicht angegriffen. Im Zuge der 1848-er Revolution wurde der Zehnte abgeschafft. Neben den Ansprüchen auf den Zehnten besaß die Kirche auch Felder, Gärten und Wiesen.

Betritt man die Obergriesheimer Kirche durch den linken Eingang, so befinden sich gleich rechts vier eingerahmte Listen, welche ab dem Jahr 1500 Priester nennen, die in Obergriesheim tätig waren. Die auf Pfarrer Klemens Maier (1912- 1938) zurückgehende Liste ist insoweit unvollständig, als darauf Pfarrer Johann Holtzapfel fehlt, der laut einer im Staatsarchiv Ludwigsburg befindlichen Urkunde 1405 an einer die Sülzbacher Kirche betreffenden Entscheidung mitgewirkt hat. Über die Verpflichtung des in der Liste aufgeführten Pfarrers Leonhard Wild (1501 bis 1511) berichtet das Heilbronner Urkundenbuch: Leonhard Wild, durch Prior Peter Wirt, Prior des Heilbronner Karmeliterklosters, in Gegenwart des ganzen Konvents als der Kollatoren zum Pfarrrektor in Obergriesheim eingesetzt, verpflichtet sich, Prior und Konvent treu zu sein, Messen und Predigten zu halten, persönlich zu residieren, die Pfarre nicht dem Bischof oder zugunsten eines anderen, sondern in die Hände der Kollatoren zu resignieren, Güter und Gebäulichkeiten des Klosters wohl zu halten, Entfremdetes womöglich zurückzubringen, nichts ohne Zustimmung der Kollatoren zu verkaufen, mit Zinsen belegte Güter zu lösen und ein Verzeichnis aller Einkünfte dem Prior zuzustellen. - Siegler: Leonhard Wild und Notar Konrad, Pleban in Baumerlenbach. - Im Kloster zur Nessel in des Priors Zimmer 1501 April 1. (Die Kollatoren waren die kirchlichen Pfründeverwalter, ein Pleban war ein Leutpriester und das Kloster zur Nessel war das Karmeliterkloster in Heilbronn.) Aufgrund der gewissenhaften Einhaltung seiner Verpflichtungen scheint Leonhard Wild in Obergriesheim Probleme gehabt zu haben. Das Heilbronner Urkundenbuch berichtet von einem Brief aus dem Jahr 1508, den er an den Heilbronner Karmeliterprior geschrieben hatte: Wenn sich die Bauern über ihn beklagt hätten, so habe er selbst noch mehr zu klagen. Der Schultheiß auf der Ebene mit den Richtern zu Duttenberg hätten ihm und der Pfarre einen Acker zu Scherzlingen (Gewann in Duttenberg), der Widumgut (Pfarrgut) gewesen, zu Gunsten eines Wimpfeners weggeschätzt; die Heiligenknechte (bei grober Betrachtung eine Art Kirchengemeinderat) hätten mit der Gemeinde ohne sein, des obersten Heiligenknechts, Wissen ein nutzbares Gut verkauft; der Mesner seiner Kirche müsse nicht allein im Dorf, sondern auch zu Bachenau und Obergriesheim Büttel und Schütz sein, bekomme aber nur von seiner Kirche Bezahlung und die Stiftung dafür sei nur für das Mesneramt. Der Prior möchte dem Deutschmeister vorbringen, wie seine Untertanen gegen ihn (den Pfarrer) und die Pfarre verfahren.

Am 31. Oktober 1517 verkündete in Wittenberg der Theologieprofessor Martin Luther seine 95 Thesen, mit denen er die Missstände in der katholischen Kirche anprangerte. Dank der Erfindung der Druckerpresse in der Mitte des 15. Jahrhunderts fanden sie rasche Verbreitung und wurden auch in Obergriesheim gelesen. Pfarrer war dort seit 1516 Martin Zehe, auch "Fabri" oder "Faber" genannt. Auf Empfehlung seines Vorgängers Johann Steinlin (auf der Pfarrerliste in der Kirche: "Steinle") oder "Göppinger" (1511 bis 1516) hatte Faber hier ausnahmsweise Pfarrer werden dürfen, obwohl er nicht dem die Priester in Obergriesheim stellenden Karmeliterorden in Heilbronn angehörte, sondern Presbyter war. Zu Faber merkt die Pfarrerliste "Glaubenserneuerung" an. Glaubt man ihm, so hat Luther nicht nur ihn, sondern auch die Obergriesheimer Bauern von der Notwendigkeit einer Erneuerung der Kirche überzeugt. Als Faber sich nämlich 1525 nach der Niederschlagung der Bauernunruhen vor dem Deutschmeister in Gundelsheim verantworten musste, räumte er ein, ein Anhänger Luthers zu sein. Er sei kein Messkrämer mehr und seine Bauern stimmten alle mit ihm überein. Den Vorwurf, er habe zwei "gemalte Tücher" gestohlen, wies er aber zurück; vielmehr habe er diese zwei Gemälde vor ihrer Zerstörung retten wollen. Ebenso widersprach er dem Vorwurf, mit den Bauern nach Gundelsheim gezogen zu sein, wo der Bauernhaufen Burg Horneck geplündert und angezündet hatte. Als Folge seiner Einstellung und seines Verhaltens musste Faber seine Pfarrei an einen andern abtreten, "der den kaiserlichen Mandaten, die der Religion wegen ausgegangen, gehorsamer nachlebe." Der neue Pfarrer Veltlin Fonken hatte dann die Aufgabe, die Obergriesheimer Bauern zum katholischen Glauben zurückzuführen. Wie lange ihn dies in Anspruch nahm, lässt sich der Pfarrerliste nicht entnehmen.

Weiter auf der Liste der Obergriesheimer Pfarrer, die neben dem linken Eingang der Kirche hängt. Nach der Niederschlagung des Bauernkrieges kehrte mit Veltlin Fonken der katholische Glauben in die Mauern der Kirche zurück. Nach ihm scheint die Liste nicht ganz vollständig zu sein. 1584 begegnen wir in den Urkunden nämlich dem auf der Liste fehlenden Obergriesheimer Pfarrer Mareis Kappert, dem die undankbare Aufgabe zufiel, in einem gegen Helias Raudenbusch, dessen Frau und dessen Tochter geführten Ermittlungsverfahren wegen Hexerei die Aussagen seiner Gemeindemitglieder protokollieren zu müssen. Das Verfahren hatte keinen religiösen Hintergrund, sondern entsprach dem damaligen Zeitgeist, der davon ausging, dass an allen Schicksalsschlägen jemand schuld sein müsse. Die rund 200 Obergriesheimer suchten ihre Sündenböcke bei der nicht eben beliebten Familie Raudenbusch. Die Mutter Catharina Raudenbusch starb nach schwerer Folter im Gefängnis. Bei der ebenfalls schwer gefolterten -minderjährigen-Tochter Gertraud verliert sich die Spur; vermutlich wurde sie vom Deutschorden aber auch umgebracht. Vater Raudenbusch wurde nicht gefoltert und kam mit Ermahnungen davon. In der Folge des Prozesses wurden 1585 drei Obergriesheimer Frauen als Hexen verbrannt, darunter Appolonia Grohe, die Schwester der Catharina Raudenbusch.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ergab sich offenbar für die Obergriesheimer die Notwendigkeit zum Bau einer neuen Kirche. Der untere Teil des heutigen Kirchturms ist ein Teil des damaligen Neubaus. Dabei dürfte 1593 das Wappen des Deutschordenskomturs Ernst von Buseck angebracht worden sein, das heute noch zu sehen ist. Leider lässt sich heute nicht mehr feststellen, ob die vorhandene Kirche den Obergriesheimern zu klein geworden oder baufällig geworden war. Auch über den Standort der Vorgängerin ist nichts bekannt. Die Bauzeit der Kirche fiel in die Amtszeit des Pfarrers Johann Haug, der 1590 bis 1599 im Dorf waltete. Im Staatsarchiv in Ludwigsburg ist noch eine Urkunde vorhanden, die 1590 über die Bitte des Pfarrers Haug berichtet, als Ordenspriester aufgenommen zu werden. Der Bau der neuen Kirche zog sich offenbar hin, denn erst 1602 konnte sie von dem Würzburger Weibischof Julius Sang geweiht werden. Wem sie geweiht wurde, ist nicht ganz klar. Während dem Kirchenbuch zu entnehmen ist, dass sie der Mutter Gottes geweiht wurde, liegt nach der Raytenauischen Beschreibung von 1604 das Patronat der neu erbauten Kirche (wie zuvor) bei St. Mauritius.

Der Raytenauischen Beschreibung von 1604 lässt sich entnehmen, wie die Kirchengemeinde Obergriesheim zu Beginn des 17. Jahrhunderts organisiert war. In die heutige Sprache übersetzt, hatte das Dorf eine neu erbaute Pfarrkirche, deren Patron St. Mauritius war. Die Kirche hatte ein in Geldwert ausgedrücktes Kapital von 700 Gulden, das von zwei Kirchen- oder Heiligenpflegern aus der Gemeinde verwaltet wurde. Sie sorgten auch für die Entrichtung der Abgaben und hatten gegenüber dem Karmeliterorden jährlich Rechnung zu legen. Pfarrer war Sebastian Zwicker, dessen Amtszeit laut der sich in der Kirche befindenden Liste von 1604 bis 1622 dauerte. Die Ausschmückung der Kirche wurde damals mit den Worten "ornata seint schlechtlich" beschrieben. Zum Auskommen des Pfarrers wird erklärt: "Seinen unterhalt hat er in gantzer Markung an getraydt, wein undt anderem von Groß und Kleinem Zehnten den 3ten Teil, die andern 2 Theil hat das Spital zu Mosbach, und S. Peter Stiftsherrn zu Wimpfen im Thal. Sonsten hat ein pfarr einen darzu gehörigen Feldt- oder ackerbau, und etliche stuck wießen und ackere zu genießen und bewohnt den daselbst stehenten pfarrhoft, sambt dessen zu gehör". Der Zustand des Pfarrhofes wird 1604 als "schlechtlich erbawt" geschildert.

Im Diözesanarchiv in Rottenburg befinden sich drei Obergriesheimer Kirchenbücher. Laut dem Vorwort wurde das Kirchenbuch der Pfarrei Obergriesheim von ihrem damaligen Pfarrer Karl Felber verordnet, einem Karmeliter, der auf der Priesterliste in der Kirche als "Karl Felker" mit der Amtszeit 1602 bis 1604 bezeichnet ist. Das Vorwort enthält die Absicht, in das Kirchenbuch alle getauften Kinder, getrauten Eheleute und verstorbenen Personen in Obergriesheim und Bachenheim zu verzeichnen und einzutragen. Begonnen wurde im Januar 1602. Die Kirchenbücher, vor allem der erste, den Zeitraum 1602 bis 1790 umfassende Band, sind eine wertvolle Quelle zur Geschichte. Da die Eintragungen häufig Schicksalsschläge beschreiben, die über die Dorfgrenzen hinausreichen, gilt dies auch für die Historie der näheren Umgebung. Die Kirchengemeinde strebt an, den Inhalt der Obergriesheimer Kirchenbücher digital erfassen zu lassen, damit mit ihnen vor Ort und nicht nur im Archiv in Rottenburg gearbeitet werden kann.

Wie bereits früher erwähnt, sind die Obergriesheimer Kirchenbücher eine ergiebige Quelle für die Geschichte des Dorfes. In ihnen finden sich Namen, die so oder ähnlich auch heute noch im Dorf vorkommen. Beispiele sind Kraußer (1602), Erlewein (1602), Werner (1604), Küener (1611 aus Bachenau eingeheiratet) und Stein (1613), wobei letztere von 1613 bis 1697 die von Ortspfarrer und Schultheißen vorgeschlagenen und vom bischöflichen Vikariat verpflichteten Schulmeister stellten. Wie das Beispiel des Hanns Kraußer zeigt, ist es nicht ausgeschlossen, dass einzelne der genannten Familien auch schon vorher in Obergriesheim gelebt haben. Vorher ist allerdings das Datenmaterial dünn. Zwei Quellen sind aber immerhin die Protokolle über die Vernehmungen Obergriesheimer Männer, die 1584 in einem Ermittlungsverfahren gegen der Hexerei beschuldigte Mitglieder der Familie Raudenbusch aussagen mussten. Wer insoweit mehr wissen will, kann im Buch "1250 Jahre Obergriesheim - Eine Spurensuche" auf den Seiten 92 und 93 nachlesen.

Zum Glück für den Geschichtsforscher war den Menschen des 17. Jahrhunderts ihr religiöses Seelenheil wichtiger als heute. Wurde ein Kind geboren, so wurde es so schnell wie möglich getauft und es gab nichts Schlimmeres, als ohne den Empfang der Sakramente zu sterben. War das irdische Dasein oftmals ein Jammertal, so wollte man es wenigstens im Jenseits gut haben. Weil dieses Bestreben auch beim durchziehenden Soldatenvolk vorhanden war, kam es im Kirchenbuch zu mancher Eintragung, die uns den harten Alltag der Obergriesheimer anschaulicher macht. Wie eine Eintragung im Kirchenbuch aus dem Jahr 1610 zeigt, war der Empfang der heiligen Sakramente nicht nur für einen guten Platz im Jenseits, sondern auch auf dem Kirchhof wichtig: "Den 27 Marty [März] ist ein Arm Fraw unversehen mit den h. Sacramenten uncatholisch verstorben und mit Bewilligung Herrn Ambtmanns zu Heuchlingen hinder die Kirchenthür begraben worden". Durch den Amtmann zu Heuchlingen übte der Deutschorden seine Herrschaft über Obergriesheim aus; Heuchlingen gehörte als Unteramt zum Amt Scheuerberg, das wiederum der Komturei auf Schloss Horneck in Gundelsheim unterstand. Heuchlingen wurde von der Pfarrei in Obergriesheim betreut, so dass Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle aus der Amtmannsfamilie in den hiesigen Kirchenbüchern eingetragen sind.

Weiter auf unserer Priestertafel in der Kirche. Nach dem schon erwähnten Karmeliterpriester Karl Felber nennt sie Sebastian Zwicker, dessen Amtszeit von 1604 bis 1622 dauerte. Im Jahr seines Amtsantritts wurde der Altar der in den Jahren zuvor neuerbauten Kirche geweiht. Noch ahnte niemand was in den nächsten Jahren auf das Dorf zukommen würde. Eigentlich hätte es den Obergriesheimern egal sein können, wen die Böhmen 1619 zum König wählten. Dass es aber Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz war, der der Person des Kaisers Ferdinand ihre Ansprüche streitig machte, wurde den Obergriesheimern zum Verhängnis. Nachdem das böhmische Herr im November 1620 in der Schlacht am Weißen Berg vernichtend geschlagen worden war, setzten die katholischen kaiserlichen Truppen unter der Führung des Feldherrn Tilly dem verjagten Kurfürsten in seine Stammlande nach und Obergriesheim lag im Durchzugsgebiet. Durch die Ankunft der Truppen verschob sich die geplante Versetzung des Pfarrers Zwicker, der am 23. Dezember 1621 an seinen Bischof schrieb: "bei der sehr gefährlichen Zeit, wegen des vielen Durchzugs allerhand Reiter und Soldaten, vornehmlich des Mansfelder Kriegsvolkes, die großen und merklichen Schaden zugefügt", sei es gewagt, zu reisen. Am 6. Mai 1622 besiegte Tilly in der Schlacht beim nahen Wimpfen den für den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz kämpfenden Markgrafen von Baden, wobei es 5.000 Tote gegeben haben soll. 1622 starben in Obergriesheim allein 13 Kinder, u. a. an der vom Soldatenvolk eingeschleppten roten Ruhr, und die Obergriesheimerin Margareth Weber stürzte beim Aufbruch zur Flucht in die sicheren Mauern Gundelsheims so unglücklich, dass sie starb.

Im Dreißigjährigen Krieg zogen immer wieder Truppen durch Obergriesheim. Nach der damaligen Auffassung hatte der Krieg den Krieg zu nähren und so nahm sich nicht nur der Feind, sondern auch der eigentliche Freund, was er brauchte. Vom Deutschorden, der auf der Seite des Kaisers stand, konnten sich die Dorfbewohner keine Hilfe erhoffen. Dann schleppten die Söldner auch noch die Pest ein, die 1626 und 1627 in zwei Wellen über das Dorf hereinbrach. Zwischen März 1626 und August 1626 und zwischen Dezember 1626 und Mai 1627 ist im Kirchenbuch bei insgesamt 33 Verstorbenen (jeweils 11 Männer, Frauen und Kinder) als Todesursache "Pest" angegeben. Wie gnadenlos der Tod seine Sense schwang, zeigt das Beispiel der Familie Ritter, von der sieben Mitglieder starben. Eine Witwe aus Kochendorf, die sie aufopferungsvoll gepflegt hatte, starb am 27. Mai 1626 schließlich auch. Zu der wohl evangelischen Frau ist im Kirchenbuch festgehalten: "weil sie aber unser Religion nit gewesen, hatt Pfarrer der Zeit, Ihr ohnwürdigen, sie unterricht im todbeth, observiert ob Häresi, und ihr beicht ahn gehördt. Darauf christlich und wollgestorben, und begraben worden. Ist niemandt wegen schreckhen des volcks, mit der Leicht gangen, als pfarrer, und Zwey die den Leichnam getragen." Am 29. Mai 1626 verstarb Margaritha Grohe. Zu ihr bemerkte der Pfarrer im Kirchenbuch: "Als sie meiner ante morte noch einmal begerte, wiederumb gebeichtet, Und mir wider das angesicht gehauchet, hat mich die Kranckheit auch angesteckt, aber weil ich mich nicht davor entsetzt, bin ich durch die Gnade Gottes erhalten worden." Die Anmerkung dürfte von Pfarrer Neff von Rothenburg stammen, der Alexander Schwab (1622 bis 1625) nachgefolgt und bis 1636 Pfarrer in Obergriesheim war.

Der Dreißigjährige Krieg war auch für die Obergriesheimer eine schreckliche Zeit. 1630 trat der Schwedenkönig Gustav Adolf in den Krieg ein und schickte seine Truppen bis nach Bayern. Wieder lag Obergriesheim auf dem Weg. Am 19. Februar 1632 und am 16. Mai 1632 sind Hochzeiten schwedischer Soldaten im Kirchenbuch eingetragen; bei letzterer heiratete ein schwedischer Hauptmann eine Jungfrau aus der Pfalz. Kaum war die Pestepidemie der Jahre 1626 und 1627 überstanden, hielt eine neue Seuche im Dorf Einzug, die von den Bürgern als "Kopff Krankheit" oder "Hauptkrankheit" bezeichnet wurde. Ihr erstes Opfer war am 16. August 1632 der Dorfschulmeister Wendelin Stein. Im November 1632 fielen der Krankheit vier Mitglieder der Familie Weickh zum Opfer. Auf der Priesterliste in der Kirche ist zwar die Amtszeit des Pfarrers Neff von Rothenburg bis 1636 eingetragen. Aber irgendetwas muss 1633 mit ihm vorgefallen sein, denn am 16. Oktober 1633 schlug der Rat der Stadt Heilbronn "dem Herrn Statthalter in Mergentheim" einen anderen Pfarrer vor, "damit auch den in dem Dorf Obergriesheim in tiefster Finsterniß und Schatten des Todes sitzenden Untertanen das Licht angezündet und gegönnt werde". Eigentlich besaß ja das Karmeliterkloster in Heilbronn das Vorschlagsrecht für den Obergriesheimer Pfarrer. Aber die evangelischen Schweden hatten ihren Glaubensbrüdern in Heil-bronn das dortige Karmeliterkloster geschenkt.

Angesichts der weihnachtlich geschmückten Kirche ist am Ende des Jubiläumsjahrs dem einen oder anderem der Gedanke gekommen, wie das eigentlich früher mit Weihnachten in der Obergriesheimer Kirche war. Schon auf dem zweiten Konzil von Konstantinopel hatte Kaiser Theodosius im Jahre 381 den 25. Dezember als offizielles Datum für Christi Geburt verkündet. Die ersten Weihnachtslieder wurden im 11. Jahrhundert gesungen. Die erste Krippe ist für das 13. Jahrhundert belegt. Klöster und Kirchen wurden im Mittelalter mit Tannengrün geschmückt, was übrigens auch schon in vorchristlicher Zeit geschehen war, um mit dem Grün um Fruchtbarkeit, Gesundheit und Wachstum zu bitten. Solange Wachs noch ein teurer Rohstoff war, wurden Kerzen noch spärlich angezündet und waren noch nicht wie heute Symbole der Weihnachtszeit. Der erste Weihnachtsbaum ist für das Jahr 1419 in Freiburg dokumentiert. Wenn es auch einen in Obergriesheim gegeben haben sollte, dürfte er am ehesten wie damals üblich im Freien gestanden haben. Die Adventszeit war Fastenzeit, in der nur spezielle Speisen und Getränke verzehrt werden durften. Lebkuchen und Spekulatius gehörten dazu. Am 23. und 24. Dezember herrschten die strengsten Fastenvorschriften. An diesen Tagen wurden nur Brotsuppe und getrocknetes Brot gereicht. Am 25. Dezember endete die Fastenzeit mit einem Weihnachtsessen, das in Familien mit dickerem Geldbeutel auch ein Festessen sein konnte. Aus einem Eintrag im Kirchenbuch aus dem Jahr 1626 wissen wir aber auch, dass es in Obergriesheim Arme gab, die froh waren, wenn ein Versterbender auf dem Totenbett versprach, ein Malter Dinkel verbacken zu lassen um das Brot an sie austeilen zu lassen.

Beim Lesen des Gesangbuches mag manchem schon der Name Friedrich Spee aufgefallen sein. Er wurde berühmt als Kritiker der Hexenprozesse, aber auch als Kirchenlieddichter. 1622 schrieb er das Lied "Heiland, reiß die Himmel auf" und angesichts dessen, was wir über das Leid des Dreißigjährigen Krieges schon lesen mussten, berührt der Text der vierten Strophe umso mehr: "Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm, vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal." Friedrich Spee steckte sich 1635 bei der Pflege pestkranker Soldaten in Trier an und starb dort. In Obergriesheim sind für September bis Dezember 1634, 43 Todesfälle verzeichnet (bei vielleicht noch 200 Einwohnern!), von Januar bis Juni 1635 starben 22 Obergriesheimer. Dann enden die Einträge des Pfarrers im Kirchenbuch. Im folgenden Jahr erfolgten die Eintragungen im Kirchenbuch durch einen Laien und Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden von Geistlichen aus den Nachbarorten vorgenommen. Auf der Priestertafel in der Obergriesheimer Kirche ist die Amtszeit des Pfarrers Neff von Rothenburg zwar bis 1636 angegeben. Da aber die Gundelsheimer Chronik berichtet, dass dort im September 1635 die Pest besonders gewütet haben soll, ist nicht aus-zuschließen, dass der Pfarrer selbst der Seuche zum Opfer fiel.

Über die Zeit des Dreißigjährigen zwischen 1635 und 1648 enthält das Kirchenbuch noch manche Eintragung über die sich berichten ließe. Da aber auch noch das Wesentliche aus der Geschichte weiterer 400 Jahre zu erzählen sein wird, wird dieses Kapitel heute beendet und Interessierte werden auf unser Buch "1250 Jahre Obergriesheim" verwiesen, von dem noch einige Exemplare im Angebot sind. 1635 bis 1648 war die Phase des Schwedisch-Französischen Krieges. Im Februar 1643 wurden die beiden Altäre der Obergriesheimer Kirche entweiht. Um die Geldforde-rungen der Schweden erfüllen zu können, hängten die Obergriesheimer am Oster-dienstag 1647 die 12 1/2 Zentner schwere Glocke vom Kirchturm ab und verkauften sie für 105 Reichstaler nach Heilbronn. Das Pfarrhaus wurde zerstört. In der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges erlebte die Pfarrei Obergriesheim mit Kohler (1636-1637), Johann Vollmar (1637-1640) und Johann Rohrbach (1642-1645) noch drei Pfarrer. Dazwischen und danach war die Pfarrei vakant.

Als der Dreißigjährige Krieg mit dem Westfälischen Frieden im Jahr 1648 zu Ende war, war nicht alles wieder gut. Noch 1693 schrieb der Obergriesheimer Pfarrer Michael Rösner an seinen Bischof in Würzburg, er habe bei seinem Amtsantritt im Juli 1693 "nit ein einzig Körnlein Frucht (wegen der schweren Kriegsdrüblen), kein Häberlein Stroh gefunden. Außerdem habe er "das Pfarrhaus wie einen Schafstall ganz öde und wüst gefunden, es sei kein Fenster drinnen, die untere Stube voller Unrat. Bis dahin waren durch Obergriesheim immer wieder Soldaten gezogen, weil der Franzosenkönig die kriegsbedingte Schwäche des Habsburger Kaiserreiches ausnutzen und sein Reichsgebiet vergrößern wollte. 1674 bis 1677 waren neun Bürger an der von den Soldaten eingeschleppten"hitzigen Kopff Krankheit" gestorben. Dazu eine Eintragung aus dem Kirchenbuch: "Den 25. Februar 1675 ist Lorentz Hirn schäffer alhier in der Kopff Krankheit gestorben und vergraben worden, ist nit unßer Religion gewesen, ist aber doch Uf den Kirchhoff gelegt worden, sein weib 5 fl der Kirchen geben müßen, deßwegen ist ihm geliten und gesungen worden, mit Vorwißen H. Dechants Zu Neckhersulm."

Das 18. Jahrhundert scheint in Obergriesheim von einer besonderen Frömmigkeit geprägt gewesen zu sein. Mehrere Wegkreuze stammen aus dieser Zeit. So weist das Wegkreuz an der Kirche die Jahreszahl 1725 aus, das als "Veitekreuz" bezeichnete Feldkreuz an der Bachenauer Straße 1740 und das "Kapellkreuz" 1753. Vielleicht lässt sich noch herausfinden, was die Anlässe für die Aufstellung der Kreuze war. Auch die Kreuzigungsgruppe in der Oberen Straße stammt aus dem 18. Jahrhundert, nämlich aus dem Jahr 1792. In den Taufstein in der Kirche ist das Jahr 1788 eingemeißelt. 1792 erbaute das Karmeliterkloster Heilbronn das Pfarrhaus in der Heidelbergerstraße; sein Wappen mit dem Stern ist über dem Hauseingang zu sehen. Der damalige Pfarrer Johann Schoeble war der letzte Karmeliterpriester in Obergriesheim; sein Grabmal kann man noch an der Friedhofsmauer besichtigen.

Während das Herzogtum Württemberg schon 1649 die allgemeine Schulpflicht für Kinder bis 6 bis 14 Jahren eingeführt hatte, gab es eine solche unter der Herrschaft des Deutschordens nicht. Schon 1575 ist aber ein Lehrer in Gundelsheim erwähnt und auch die bis 1602 zurückgehenden Obergriesheimer Kirchenbücher führen Lehrer auf. Ihre Verpflichtung war Sache der Kirche, die zusammen mit dem örtli-chen "Gericht" (Gemeinderat) auch die Schulaufsicht ausübte. Für das Deutschordensgebiet rund um Gundelsheim war damals der Würzburger Bischof zuständig. Im Juni 1785 machte der damalige Amtsträger Franz Ludwig von Erthal eine Visita-tionsreise, die ihn am 8. Juni auch nach Obergriesheim führte. Dort weihte er nicht nur eine Glocke, sondern besuchte auch die Schule. Wie die Quellen berichten, fand die Schulvisitation nicht das Wohlgefallen des Bischofs, der vielmehr den Schulmeister und dessen Zöglinge ermahnte. Einen Tag vorher hatte der Oberhirte bei seinem Besuch in Offenau festgestellt, dass die Kinder das Auswendiglernen zwar im Griff hatten, aber vom Inhalt wenig verstanden. Das Ergebnis der Schulprüfung in Duttenberg am 9. Juni 1785 schien dem Bischof ebenfalls nicht erfreulich. Im Gegensatz dazu steht die Schulprüfung in Bachenau: Der dortige Schulmeister imponierte Erthal so sehr, dass er ihm einen neuen Dukaten schenkte und ihn ins Schulseminar nach Würzburg einlud.

1789 brach in Frankreich die Revolution aus. Die deutschen Nachbarn befürchteten ein Übergreifen. Österreich und Preußen schlossen sich zusammen, um die franzö-sische und ihre eigenen Monarchien zu verteidigen. So begann der vom 1792 bis 1797 dauernde 1. Koalitionskrieg, der 1797 kaiserliche Truppen zu uns brachte. Unter dem 6. Mai 1797 berichtet das Kirchenbuch von "Christian Mezger, Kaiserlicher Soldat der Region Kallenberg, lutherischer Geburt; er wurde auf dem Friedhof gleich beim Eingang auf nicht geweihtem Platz beerdigt". In der Folge der Französischen Revolution verlor das Königreich Württemberg linksrheinische Gebiete, für die es 1805 unter anderem mit dem deutschordischen Neckaroberamt, zu dem auch Obergriesheim gehörte, entschädigt wurde. Zeugnis vom Ergebnis der Säkularisation gibt noch heute das Wappen des Königreichs Württemberg, das unter dem Karmeliterwappen über der Tür des ehemaligen Pfarrhauses in der Heidelberger Straße 9 angebracht ist.

Im 18. Jahrhundert war der sonntägliche Gottesdienstbesuch Pflicht. Aber Frömmigkeit zeigten auch damals nicht alle. Am 11. Februar 1739 drangen mit Gewehren bewaffnete Gauner und Diebe in die Gundelsheimer Pfarrkirche ein und schleppten das Beste fort. Die Messgewänder wurden später wieder in einer alten Kirche in Kochendorf unter Heu versteckt gefunden. Was "verheeren" heißt, bekam die Obergriesheimer Kirche in den Jahren 1813 und 1814 zu spüren. Nach der Völkerschlacht in Leipzig im Oktober 2013 wurden die französischen Verlierer von ih-ren russischen und preußischen Gegnern bis nach Frankreich verfolgt. In der Umgebung lagerten 5.000 Kosaken. Die Pfarrchronik berichtet, dass die Obergriesheimer Kirche im Jahr 1814 vom Kaiserlich Russischen Militär als Magazin benutzt und 12 bis 15 Fuß hoch mit Heu und Hafer gefüllt wurde, "wodurch die Altäre, Kanzel und Wandungen ganz verstoßen und sehr schadhaft geworden sind".

1815 herrschte in Württemberg Hungersnot. Durch einen Vulkanausbruch in Indonesien geriet das Klima völlig durcheinander. Bis 1817 kam es zu Missernten. Im selben Jahr notierte der Obergriesheimer Pfarrer in der Pfarrchronik: "Die ganze obere Gegend kam zu uns herab, um den Hunger zu stillen, und ein Bettler gab, sozusagen, dem anderen die Thür in die Hand." Die Obergriesheimer versuchten die Not innerhalb der Dorfgemeinschaft zu lindern: "Jeder mußte nach Vermögen alle Freytage um 11 Uhr Brod, Milch, Schmalz auf das Rathhaus liefern". Schultheiß und Pfarrer nahmen die Abgaben in Empfang und teilten sie wöchentlich zweimal an die Bedürftigen aus. Viele Württemberger, auch einige Obergriesheimer, wanderten in diesen Jahren nach Südrussland und Nordamerika aus. Dennoch stieg die Zahl der Einwohner, so dass 1823 der Kirchhof als Begräbnisplatz aufgegeben und der heutige Friedhof angelegt wurde. Die Einwohnerzahl lag damals bei rund 350.

"Wieder ist ein Jahr verschwunden, wie der Schaum im wilden Bach. Denket seiner heit´ren Stunden, denket seiner trüben nach.." Mit den Klängen dieses Liedes klingt in Obergriesheim traditionell die Silvesterandacht aus. Das Lied steht nicht im Gesangbuch, viele Ältere haben einen Zettel mit seinem Text eingelegt. Da es in der Umgebung sonst nicht gesungen wird, wurde das Lied schon für ein Erzeugnis Obergriesheimer Dicht- und Kompositionskunst gehalten, was aber nicht der Fall ist. Am 1. Januar 1823 wurde es im Wochenblatt der bayrischen Stadt Dillingen ab-gedruckt. Im selben Jahr steht es unter der Nr. 510 im "Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauche für protestantisch-evangelische Christen". 1865 fand es in Österreich in die Sammlung "Katholische Andachts-Lieder für das ganze Kirchenjahr" Eingang. Der Text des Liedes stammt von Johann Heinrich Voß, der 1751 geboren wurde und 1826 in Heidelberg starb. Das Lied wurde nach der Melodie "Alle Menschen müssen sterben" gesungen, womit aber nicht die gleichnamige Melodie von Johann Sebastian Bach gemeint ist, sondern eine 1643 von Christoph Anton geschaffene. In Obergriesheim wird sie etwas verändert gespielt. Vielleicht wissen die älteren Obergriesheimer noch, wer das Lied hier eingeführt hat? Hinweise wer-den gerne entgegen genommen.

Als 1848 die Revolution von Frankreich nach Deutschland herüber schwappte, fühlten sich auch die Obergriesheimer von den Zielen nach mehr Freiheit und Demokratie angezogen. Zu den Bestrebungen der Revolutionäre gehörte auch die Entlastung des Grund und Bodens vom Zehnten, Gülten, Zinsen und alle übrigen Arten von Gemeindeabgaben und Leistungen, wobei sich mancher erhoffte, diese Abgaben würden einfach aufgehoben. Der damalige Pfarrer schrieb in die Pfarrchronik: "Einige Bäuerlein sollen, vom Rathhause heruntergekommen, vor demselben herumgetanzt haben und für die Ablösung der Zehnten, der ihnen schon lange ein Dorn im Auge war, gewaltig in die Schranken getreten sein". Am 14. April 1848 unterzeichnete der württembergische König das Gesetz zur Ablösung der Grundlasten, die gegen jährliche Raten von Ablösungssummen erfolgen sollte. Die Enttäuschung darüber muss bei einigen Obergriesheimern noch längere Zeit angehalten haben, wie die Eintragung in der Pfarrchronik zeigt: "Noch im Jahr 1850 spukt es in den Köpfen vom revolutionären Geist der Jahre 1848/49 und von der Ablösung der Zehnten ohne Entschädigung". Wie gesetzlich vorgesehen, wurde in den folgenden Jahren vom Gemeinderat und dem Bürgerausschuss als Vertreter der abgabepflichtigen Bürger das Ablösekapital festgesetzt. In Bezug auf die Abgaben für die Obergriesheimer Pfarrstelle zeigte sich der Pfarrer ziemlich streitbar, worauf man ihm den Zehnten für das Jahr 1848 beließ. 1849 wurde das Ablösungskapital betreffend der Gülten für die Obergriesheimer Pfarr- und Schulstelle festgesetzt, 1851 betreffend der Gefälle zugunsten der katholischen Stadtpfarrstelle in Neudenau und der Zehntansprüche der Schulstelle in Bachenau, 1852 betreffend des Anspruchs des Königreichs Württemberg auf den Großen und Kleinen Zehnten, der Gefälle zugunsten der Pfarrei Obergriesheim und des Zehntanspruchs der katholischen Pfarrstelle Duttenberg, 1853 betreffend des Zehntanspruchs der Pfarrei Obergriesheim und Abgaben an die Schulstelle Obergriesheim. Über die Festsetzung der Ablösungssumme für den Zehntanspruch des Königreichs Württemberg kam es zu einem Rechtsstreit, der 1854 gütlich beendet wurde.

1856 wurde die Vorgängerin der heutigen Kirche, die am selben Platz stand, aber viel kleiner war, renoviert. Die Arbeiten wurden 1858 zu Kosten von 1.819 Gulden 20 abgeschlossen, die deutlich über dem Voranschlag von 1.453 Gulden lagen. Darin waren u. a. die Kosten für drei neue Gemälde enthalten: Eines für den Hoch-altar "Heilige Dreieinigkeit mit Madonna und anbetenden Figuren"; eines für den Seitenaltar rechts "Der heilige Sebastian, von Pfeilen getroffen, sterbend; eines für den Seitenaltar links, "Die heilige Maria". Am Hochaltar wurden Schreinerarbeiten im gotischen Stil ausgeführt, eine Marmorimitation und Vergoldungen vorgenommen, sieben geschnitzte Figuren wurden vergoldet und gefasst. Die Pfarrchronik von 1857 beschreibt die weiteren zu vergebenden Arbeiten, die im Wesentlichen in Vergoldungen, Bemalungen und Restaurationen bestanden. Wohin die genannten Figuren nach dem Abriss der alten Kirche im April 1900 gelangt sind, konnte bisher noch nicht festgestellt werden.

Spätestens in den 1880er-Jahren scheint das Bedürfnis nach dem Neubau einer Kirche gestiegen zu sein. Jedenfalls sah sich der frühere Schultheiß Klimm schon damals veranlasst, der Kirchengemeinde auf seinen Tod ein Geldvermächtnis in Höhe von 14.000 M auszusetzen. Auch Klimms Schwester zeigte sich spendabel; sie ließ an der Straße nach Gundelsheim, kurz nach der Stelle, wo heute die Karmeliterstraße nach links abzweigt, ein inzwischen nicht mehr vorhandenes Steinkreuz mit Umfriedung anbringen, an das sich Ältere noch erinnern werden. 1884, im Todesjahr Klimms, wurde noch die mittlere Glocke zum Umguss zur Firma Bachert nach Kochendorf gebracht; nach vollzogener Weihe wurde die neue Glocke am 14. Dezember desselben Jahres in den Turm gehängt. Am 17. April 1900 begann man mit dem Abbruch der alten Kirche. Die Bauarbeiten waren im Dezember 1900 schon so weit fortgeschritten, dass in der neuen Kirche Gottesdienste gefeiert werden konnten. Am 16. Juni 1902 wurde die neue, heutige Kirche durch Bischof Paul Wilhelm von Keppler eingeweiht.

Wie viele Gemeinden in der Umgebung hat auch Obergriesheim eine Lourdes-Grotte. Am 11. Februar 1858 soll Bernadette Soubirous in einer kleinen Nische das oberhalb einer Grotte im südwestfranzösischen Lourdes die Mutter Gottes erschienen sein. Nach der Beschreibung des Mädchens trug sie ein weißes Kleid, einen blauen Schleier, einen goldenen Rosenkranz und auf jedem Fuß eine goldene Rose.
Lourdes entwickelte sich im Laufe der Zeit zur Pilgerstätte, an der sich auch Wunderheilungen ereigneten. Die Begeisterung für das Wunder hinterließ auch in Obergriesheim ihre Spuren. Pfarrer Robert Burkart, an den sein Grabstein auf dem Friedhof auch heute noch erinnert, stiftete 1898 eine sog. Lourdes-Grotte, die er aus Tuffsteinen errichten ließ. Früher plätscherte unterhalb der Mutter Gottes und der sie anbetenden Bernadette noch eine Quelle, die wohl durch die Bebauung oberhalb weitestgehend versiegt ist. Durch die die Grotte umgebenden Linden und Hecken war die Grotte jahrzehntelang ein schattiger Ort der Ruhe und der Stille, an den sich mancher zum Gebet zurückzog.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich allmählich ein Kindergartenwesen, wobei sich die Kindergärten in der Regel als Kleinkinderbewahranstalten darstellten. Wie lange es brauchte, bis jedem Kind ein Kindergartenplatz zur Verfügung gestellt werden konnte, zeigt der Umstand, dass der Anteil der Kinder, für die ein Platz in einer Einrichtung öffentlicher Kleinkindererziehung (Kleinkinderbewahranstalt, Kleinkinderschule oder Kindergarten) zur Verfügung stand, 1910 etwa 13 % betrug und sich bis in die Weimarer Republik auch nicht wesentlich veränderte. Obergriesheim durfte sich also als sehr fortschrittlich betrachten, als es 1905 eine "Kleinkinderschule" in der heutigen Austraße 3 baute. Die Kinderbetreuung erfolgte durch Franziskanerinnen des Klosters Reute, die im Gebäude gleichzeitig noch ein Behandlungszimmer für Kranke und Verletzte unterhielten. Beide Einrichtungen befanden sich im Erdgeschoss des für 9.000 M errichteten Gebäudes, während im Obergeschoss die Schwestern wohnten. Für die Mütter, die neben der Arbeit auf dem Feld häufig eine kinderreiche Familie nebst alten Menschen zu versorgen hatten, bedeutete die "Kinderschule" eine große Entlastung. Der Kindergartenalltag war bis in die 1970er-Jahre hinein ein ganz anderer als heute. Viele ehemalige Kinderschüler erinnern sich noch heute an ihre frühkindlichen Erfahrungen, die bei gemütlichen Zusammensein immer wieder ausgetauscht werden. Es wäre schade, wenn nicht auch die Enkel und Urenkel die eine oder andere Geschichte erzählt bekämen.

Aus besonderem Anlass - der Gelöbniswallfahrt nach Höchstberg am 6. Mai - wollen wir einen kleinen Zeitsprung machen: Nachdem Deutschland ab 1939 den Krieg in die Welt hinaus getragen hatte, kam er ab 1942 erbarmungslos zurück. Seit 1942 bombardierten die Alliierten deutsche Städte, zunächst im Norden, dann auch im Süden. 1944 schrieb der Obergriesheimer Pfarrer Keilbach in die Pfarrchronik: "Der Fliegeralarm wird bei Tag und Nacht fast Dauerzustand. Die Fliegerangriffe nehmen ein vernichtendes Ausmaß an. Der Schulunterricht ist fast zur Unmöglichkeit geworden. Die Abhaltung des Gottesdienstes außerordentlich erschwert. Die Stimmung der Bevölkerung sehr schlecht. Jedermann weiß, dass der Krieg mit Bestimmtheit verloren ist und sieht in einer Fortsetzung einen Wahnsinn und ein Verbrechen am Volk. Die Gefallenen- und Vermisstennachrichten häufen sich und bringen nochmals Elend in so viele Familien der Gemeinde." Im April 1945 drohte auch Obergriesheim Kampfgebiet zu werden. Als amerikanische Truppen von Mosbach her anrückten, wollte der NSDAP-Kreisleiter Drauz aus Heilbronn das Dorf nicht in die Hand der Feinde fallen lassen und ließ deshalb am Ostersonntag, 21 Uhr, durch Ausschellen im Dorf bekannt geben, dass Obergriesheim am nächsten Morgen zu räumen sei, das Vieh zu vergiften wäre und die Häuser angezündet werden müssten. Pfarrer Keilbach gelang es, die Obergriesheimer von der Ausführung dieses Befehls abzuhalten und sah sich daraufhin einem Mordanschlag der SS ausgesetzt. Am Osterdienstag, 3. April 1945, zogen die Amerikaner in Obergriesheim ein und nun sah sich das Dorf der Zerstörung von Artilleriebeschuss vom Höhenzug jenseits der Jagst bedroht. In ihrer Not gelobte die Pfarrgemeinde eine Dankprozession zur Gottesmutter nach Höchstberg, auf alle Zeiten, sollte das Kriegsgeschehen über das Dorf hinweggehen. Obergriesheim hatte Glück: Eine Scheune in der Nähe der Kirche brannte ab, ein Mädchen wurde durch Glassplitter verletzt und einzelne Granaten verursachten nur geringfügige Sachschäden. Das 1945 gemachte Versprechen wurde am 10. Oktober 1949 beurkundet (erst da war die Höchstberger Kirche wieder aufgebaut), die Urkunde kann in der Kirche besichtigt werden." Manch einer und eine mag die Gelöbniswallfahrt heute für eine Sache von Traditionalisten halten, der er seine Teilnahme versagt. Mich hat das nicht betroffen, und überhaupt: "... für alle Zeiten!" Auch demjenigen, der nie einen Krieg am eigenen Leib erfahren musste, tut es gut, sich für ein paar Minuten überlegen, wie er sich als Obergriesheimer im April 1945 gefühlt hätte. Wahrscheinlich hätte auch er damals keinen "Deal" mit einer kürzeren Gelöbniszeit in die Debatte geworfen. Dass Frieden nicht selbstverständlich ist, zeigen die Zündler in Ost und West, deren Hemmschwellen zu fallen scheinen. Wie wäre es, die Gelöbniswallfahrt nach Höchstberg - und sei es nur im privaten Innersten - als Friedensdemo zu gehen?

Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war Obergriesheim kräftig gewachsen. Neben der Kirche war auch die sich damals noch im Rathaus befindliche Schule zu klein geworden. 1911 wurde deshalb an der Heuchlinger Straße das neue Schulhaus gebaut, in dem sich heute der Kindergarten befindet. Im August 1914 begann der Erste Weltkrieg. Von der Begeisterung, mit der man andernorts zum Teil in den Krieg zog, ist in den Aufzeichnungen des Obergriesheimer Chronisten Schultheiß Remmlinger nichts zu spüren: Er sah schon damals "ein schreckliches Unglück", das über ganz Deutschland hereingebrochen sei. Am Ende des Jahres 1914 musste er bereits vier gefallenen Obergriesheimern einen Nachruf setzen. 1916 berichtet er darüber, dass es in Obergriesheim keine Familie mehr gebe, "die nicht einen o-der mehrere Angehörige im Felde hatte". 1917 herrschte in Deutschland Hungersnot, im selben Jahr waren etwa 100 Obergriesheimer zum Kriegsdienst einberufen. Der Chronist berichtet weiter: "... Aber nicht nur die Menschen, auch alles Metall wurde für Kriegszwecke eingezogen, wie schon im Vorjahr alles Messing und Kupfergeschirr abgenommen wurde, so kamen jetzt die Glocken an die Reihe. Am 31. Juli kamen die mittlere und die kleine Glocke vom Kirchturm herunter und wurden zur Bahn befördert, es war ein trauriger Abschied".

Als der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war, hatten 23 Obergriesheimer ihr junges Leben verloren. Die als Kriegsopfer eingezogenen Glocken hingegen waren ersetzbar: Im November 1919 wurden bei der Firma Bachert in Kochendorf vier neue Glocken für den Kirchturm bestellt und am 16. Mai 1920 eingeweiht. Die Kosten von insgesamt 40.000 Mark wurden in Höhe von 37.000 Mark aus freiwilligen Spenden der Obergriesheimer gedeckt. Am 26. November 1921 erhielt der Obergriesheimer Kirchturm eine neue Uhr, die in Schonach hergestellt und von Josef Knörzer aus Neudenau montiert wurde. Die Kosten in Höhe von 14.000 Mark wurden aus Spenden der Bürger aufgebracht. Im Juli 1923 wurde mit Renovierungsarbeiten in der Pfarrkirche begonnen. Da die Inflation grassierte, reichten die dafür von der Kasse der Waldgerechtigkeitsbesitzer in Aussicht gestellten 6 Millionen Mark bei weitem nicht aus. Im September 1923 wurde deshalb noch eine Kartoffel-sammlung durchgeführt, die einen Erlös von 215 Millionen Mark erbrachte.
Die Inflation des Jahres 1923 wurde überwunden und bald brachen die goldenen 1920er-Jahre an. Sie endeten in der Weltwirtschaftskrise, die den Nationalsozialisten zur Macht verhalf. Die Nationalsozialisten machten 1933 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag. So sah der 1. Mai 1933 in Obergriesheim aus: "Früh 1/2 6 Uhr wurde der Tag durch Herrn Pfarrer Maier festlich mit allen Glocken eingeläutet. Die Musikkapelle spielte anschließend zwei Lieder: Mit dem Herrn fang alles an, und Ich bete an die Macht der Liebe. Um 8 1/4 Uhr versammelten sich die Vereine und Herr Lehrer Wörner mit den Schulkindern am unteren Brunnen bei Julius Krauth zum gemeinsamen Kirchgang unter Führung von Bürgermeister Mall, zugleich Vorstand vom Kriegerverein, mit der hiesigen Musik an der Spitze. Nach der Kirche konnte jedermann die aufgestellten Radiolautsprecher hören. Mittags um 12 Uhr war eine Kundgebung vor dem Rathaus, wobei wieder die Musikkapelle und Gesangverein mitgewirkt haben". Bürgermeister Mall, ein Obergriesheimer Vertreter der Nationalsozialisten und Josef Ballmann als Arbeitervertreter der Zentrumspartei hielten Ansprachen.
Ein Spaßvogel aus Schluchtern erregte am 30. Juli 1933 Ärgernis, weil er - vermutlich von der beliebten Badestelle an der Jagst in Heuchlingen aus- nur mit einer Badehose bekleidet mit seinem Motorrad vor den Augen der Gottesdienstbesucher nach Obergriesheim hineinfuhr, im Bereich der heutigen Brunnenstraße wendete und dann wieder zurückfuhr. Auf Veranlassung des Pfarrers Maier wurde er vom Polizeidiener Anton Lustig gestellt, der ihn fragte, wie er dazu komme, in diesem Aufzug durch ein katholisches Dorf zu fahren. Der Motorradfahrer behauptete, er habe sich dabei nichts gedacht. Der Polizeidiener ging angesichts der spärlichen Bekleidung des Missetäters davon aus, dass die Nachfrage nach Fahrzeugpapieren nicht zielführend sei und notierte nur das Fahrzeugkennzeichen. Der Fall kam zur Anzeige. Der Pfarrer und die Lehrersgattin brachten in ihren Zeugenaussagen nicht nur ihre eigene Empörung über den Vorgang zum Ausdruck, sondern auch diejenige aller Frauen, die gerade aus der Kirche gekommen waren. Aus den vorhandenen Quellen ist nicht ersichtlich, ob und wie der Schelm bestraft wurde.
1935 musste der Kirchturm renoviert werden. Die Turmuhr wurde frisch gestrichen und erhielt neue Ziffern und Zeiger. Zunächst war vorgesehen, den Kirchturm mit einem Kellenbewurf zu verputzen, was ihm ein gänzlich anderes Aussehen verschafft hätte. Dann aber folgten die Obergriesheimer der Anregung des Denkmalschutzes und besserten nur die Fugen des Natursteinmauerwerkes aus. Die Presse berichtete damals über die Bauarbeiten. Man hatte geschaut, dass die Arbeiter von Obergriesheimer Handwerkern durchgeführt wurden und hatte diese in den hiesigen Maurern Erlewein und Fischer gefunden. Laut dem Pressebericht stellte das Aufstellen des Gerüstes an die beiden Männer hohe Anforderungen. Die Kosten der Arbeiten wurden zwischen Kirchenstiftung und Gemeinde geteilt.
Am Sonntag, den 8. August 1937, fand auf dem Rathaus in Obergriesheim eine Besprechung der Ortsbauernschaft statt. Weil, wie der Ortsgruppenleiter der NSDAP aus dem Nachbarort in seinem Brief an die Kreisleitung feststellte, "Obergriesheim die denkbar fanatischste katholische Gemeinde im ganzen Unterland ist", wurde die Besprechung beim 12 Uhr-Läuten unterbrochen, um zu beten. Zu aller Erstaunen entdeckte man dabei, dass das Kruzifix nicht mehr in der Ecke hing, es war, wie der Ortsgruppenleiter in seinem Bericht spöttisch bemerkte, "im Zuge der Zeit entfernt worden". Die Entrüstung war so groß, dass der Ortsbauernführer, selbst Parteigenosse, erklärte, er werde dafür sorgen, dass das Kreuz wieder hereinkomme. Man wolle doch mal sehen, ob man gar nichts mehr zu sagen habe. Der Ortsgruppenleiter schrieb: "Den ganzen Sonntag über war anscheinend richtige Revolutionsstimmung mit Unterstützung des Ortsbauernführers". Seine Parteigenossen konnten den Ortsbauernführer auch in den nächsten Tagen nicht erweichen, er verlangte die Wiederanbringung des Kreuzes, was ihm aber abgeschlagen wurde. Aus einer daraufhin für den folgenden Freitag angesetzten Gemeinderatssitzung wurde eine Protestversammlung, an der 70 Männer teilnahmen. Nur durch "zielbewussten" Hinweis durch Bürgermeister Renner, der Gemeinderäte und Beigeordneten auf ihre Mitverantwortung für die Sitzung sowie durch "straffe Verlesung der Kriegsartikel für die Zuhörerschaft" konnte nach Ansicht des Berichterstatters eine größere Ausschreitung vermieden werden. Bürgermeister Renner geißelte in einer Ansprache "den politisierenden Katholizismus wie auch das schändliche Verhalten der Klöster & Geistlichen", wurde dabei aber immer wieder gestört. Der Ortsbauernführer bezeichnete die Entfernung des Kreuzes "als ein Flammenzeichen für das 100 % katholische Obergriesheim" und riet den Leuten die zukünftigen Veranstaltungen der Partei geschlossen zu meiden. Die Beigeordneten und Gemeinderäte forderte er auf, ebenfalls ihre Missbilligung zu äußern. Die Gemeinderäte Kilian Krauth und Anton Krauth sowie der Beigeordnete Zahn taten dies und verloren in der Folgezeit ihre Ämter. Auch der Ortsbauernführer wurde von seinen Parteiämtern abgelöst. Das Kreuz allerdings wurde nicht wieder aufgehängt.

Am 10.April 1938 fand eine Reichtagswahl statt. Die Nationalsozialisten hatten sie mit der nachträglichen Volksabstimmung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich verbunden. Der damalige Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll verweigerte öffentlich die Stimmabgabe, woraufhin die nationalsozi-alistischen Machthaber das Bischöfliche Palais stürmen und verwüsten ließen. We-gen dieser Übergriffe setzte Pfarrer Keilbach am 27. Juli 1938 einen Brief an den Oberhirten auf, worin er und sechs weitere Unterzeichner ihm die Treue und Unter-stützung der Pfarrgemeinde Obergriesheim versicherten Als Bischof Sproll am 24. August 1938 von der Gestapo aus Württemberg ausgewiesen wurde, stellte Pfarrer Keilbach in Obergriesheim große Empörung und Erschütterung fest. Es wurden ein Trauergottesdienst und Betstunden abgehalten. Trotz Verbotes verlas Pfarrer Keil-bach am 11. September 1938 einen das Handeln der Nationalsozialisten verurtei-lenden Hirtenbrief der deutschen Bischöfe.

Wie bereits beschrieben, hatte der "Kruzifixvorfall" zum Ausschluss von Gemeinderäten geführt. Von den beiden verbliebenen Gemeinderäten wurde am 11. November 1938 auf seinen Antrag hin auch noch Anton Krauth entlassen. Er zog die Konsequenz daraus, dass ihm "als Gemeinderat gemäß bestehender Anordnung" untersagt worden war, an Fronleichnam den Himmel zu tragen. Schwierigkeiten bekam auch der Amtsbote Lustig. Er hatte in seinem Amt als Mesner an der Fronleichnamsprozession teilgenommen. Von der Gemeindeverwaltung wurde ihm nahegelegt, sich entweder für seine Anstellung bei der Gemeinde oder für sein Mesneramt bei der katholischen Kirche zu entscheiden. Die Fronleichnamsprozession war den nationalsozialistischen Machthabern ein Dorn im Auge. In einem Schreiben vom 17. Juni 1938 an die "Herren Bürgermeister der katholischen und gemischten Gemeinden" teilte der Landrat mit, dass im Zeichen der Erzeugungsschlacht und des Vierjahresplans, die bestrebt seien, die enge Ernährungsgrundlage des Deutschen Volkes zu verbreitern, die Verwendung von Futtermitteln (getrocknetes und frisches Gras) für das damals übliche Bestreuen der Prozessionswege nicht geduldet werden könne.

Aus Dankbarkeit über die Erhaltung des Friedens wurde am 9. Oktober 1938 ein Dankgottesdienst mit halbstündigem Glockengeläut abgehalten. Die Bevölkerung war in großer Sorge gewesen, dass die Annexion des Sudetenlandes durch das Deutsche Reich schon damals einen Weltkrieg auslösen könnte. Als am 1. Sep-tember 1939 deutsche Truppen Polen überfielen, war es dann aber soweit. Der damalige Obergriesheimer Pfarrer Keilbach schrieb dazu in die Pfarrchronik: "Folgen 1) Verdunkelung der Häuser und Kirchen, 2) Einschränkung des Läutens: geläutet werden darf nur in der Zeit von morgens 8 h bis abends 6 h, zum Gottesdienstbeginn darf an Sonntagen nur 1/4 Stunde vor Beginn ein Zeichen mit allen Glocken gegeben werden in der Dauer von 3 Minuten. - Viele Pfarrkinder stehen unter den Waffen, namentlich viele Ältere, die schon den letzten Weltkrieg mitmachten. Der Seelsorger bleibt schriftlich mit ihnen in Verbindung. Der Polenfeldzug endet nach 18 Tagen siegreich für unser Vaterland. Der Krieg jedoch dauert fort durch Kriegserklärung von England und Frankreich. - Aus Papiermangel werden fast alle kathol. Zeitschriften verboten, die Kirchenpflegen werden mit Kriegszuschlägen belastet."

Am 9. Juni 1940 kostete der Zweite Weltkrieg den ersten Obergriesheimer Soldaten das Leben, 1941 starben sieben weitere junge Obergriesheimer. Jeweils am Sonntagabend und am Donnerstagabend wurden in der Obergriesheimer Kirche Andachten für die Obergriesheimer Krieger abgehalten. Doch viele Bittgebete und Hoffnungen blieben unerfüllt. Wie die Kriegergedenktafeln auf dem Friedhof zeigen, riss der Tod nur allzu oft Lücken in die Obergriesheimer Familien. 1941 begann die britische Royal Air Force Angriffe auf deutsches Gebiet zu fliegen, so dass die Abhaltung von Gottesdiensten bei Fliegeralarm unter Ausnahmegesetz gestellt wurde: Bei nächtlichem Fliegeralarm durfte die heilige Messe erst um 10 Uhr stattfinden, wenn der Alarm nach 12 Uhr nachts endete. Zur Last des Krieges kamen auch noch die Schäden hinzu, die ein Orkan am 14. März 1940 anrichtete. Er deckte ein Drittel des Kirchendaches ab, so dass der gleichzeitige Gewitterregen die Orgel schwer beschädigte. Am 23. Februar 1942 mussten wie schon im Ersten Weltkrieg die Glocken abgeliefert werden.
1942 wird die Last des Krieges im Dorf drückender. Die meisten Männer und Jungmänner stehen unter den Waffen. Die Waren werden knapper. Pfarrer Keilbach bezeichnet die Lourdesgrotte als Anziehungspunkt für Alt und Jung und eine beliebte Betstätte. 1942 wird sie restauriert und mit einer Betonmauer und einem Holzzaun umfriedet. Die Quelle wird neu gefasst, das Wasser über eine 70 m lange Betonröhre abgeleitet und das Gelände frisch angelegt. Kunstmaler Klimm in Gundelsheim versieht die Figuren mit einem neuen Anstrich. Am 27. April 1943 wird der frühere Obergriesheimer Pfarrer Maier in Schelklingen beerdigt, der durch den Krieg eingeschränkte und gefährdete Zugverkehr hält jedoch viele Obergriesheimer von einer Teilnahme ab. Am Rosenkranzfest weiht sich die Diözese der Mutter Gottes. 1942 erhalten fünf Obergriesheimer Familien Todesnachrichten von der Front. 1943 sind es elf Söhne des Dorfes, die ihr Leben für einen sinnlosen Krieg hingeben müssen.
1944 beherrschte das Kriegsgeschehen auch die Pfarrchronik. Ihr Inhalt wird insoweit wörtlich wiedergegeben: "Der Fliegeralarm wird bei Tag und Nacht fast Dauerzustand. Die Fliegerangriffe nehmen ein vernichtendes Ausmaß an. Der Schulunterricht ist fast zur Unmöglichkeit geworden. Die Abhaltung des Gottesdienstes außerordentlich erschwert. Die Stimmung der Bevölkerung sehr schlecht. Jedermann weiß, dass der Krieg mit Bestimmtheit verloren ist und sieht in einer Fortsetzung einen Wahnsinn und ein Verbrechen am Volk. Die Gefallenen- und Vermisstennachrichten häufen sich und bringen nochmals Elend in so viele Familien der Gemeinde. Großer Mangel an Arbeitskräften. - Am 4. Dezember abds. 7 Uhr schwerer Luft-angriff auf Heilbronn. Der Feuerschein der brennenden Stadt ist so gewaltig, dass unser Dorf taghell beleuchtet ist. Der Bombeneinschlag so gewaltig, dass der Boden dröhnt und die Häuser bis in ihre Fundamente erschüttert sind. Große Panik im Dorf. Wie soll das noch enden?"
Die im Kriegsjahr 1945 in Obergriesheim herrschende Stimmung beschreibt Pfarrer Keilbach in der Pfarrchronik wie folgt: "Die Kriegslage wird immer unerträglicher. Die Kriegsschauplätze rücken immer näher. Die Bevölkerung hat nur mehr den ei-nen Wunsch: Hoffentlich kommen bald die Amerikaner und befreien uns vom Sata-nismus des Nationalismus. Die fortwährenden Fliegerangriffe bringen die Men-schen noch zum Wahnsinn. Im Februar und März rückt das Frontgeschehen immer näher. In der Karwoche ziehen die kämpfenden deutschen Truppen in wilder Auflösung hier durch. Die schweren Waffen haben sie alle verloren. Die Maschinenge-wehre führen sie teilweise auf Kinderwägelchen mit. Der Anblick ist jammervoll.... Die Amerikaner kommen von Mosbach über den Staatswald und umgehen die Neckarbefestigung. In Tiefenbach schwere Straßenkämpfe mit SS-Einheiten, die hier nach Abzug der Wehrmacht eingesetzt wurden und die Amerikaner zurück schlagen sollten. Ein junger SS-Offizier jagt die meist jugendlichen SS-Leute nur so in den Tod, um dann zuletzt selbst mit einem Fahrrad das Weite zu suchen. Wäh-rend dieser Kämpfe in Tiefenbach ist unser Schulhaus Hauptverbandplatz. Immer-fort kommen die Verwundeten. Großes Elend."
Den Einmarsch der Amerikaner im April 1945 beschrieb Pfarrer Keilbach wie folgt: "Am Osterdienstag, 3. April, morgens 7 h ziehen die amerikanischen Truppen hier ein. Die Bevölkerung war in der Begrüßung zurückhaltend gewesen, als sie nunmehr mit einem starken Beschuss des Dorfes durch die SS von Heuchlinger Höhe aus zu rechnen hatte. Ein Vorstoß der Amerikaner nach Heuchlingen geriet auf hef-tiges Feuer der SS, so dass sie sich sofort in unser Dorf wieder zurückzogen. - Die amerikanischen Offiziere kamen im hiesigen Pfarrhaus zur Weiterberatung zusam-men und wollten sofort das ganze Pfarrhaus zur Einquartierung. Auf meine Bitte hin ließen sie mir dann den oberen Stock und begnügten sich mit dem unteren Stock. Viele Familien mussten zur Unterbringung des amerikanischen Militärs ihre ganzen Häuser räumen. Im Allgemeinen haben sich die Truppen gut aufgeführt.
Über die letzten Kriegstage in Obergriesheim schrieb Pfarrer Keilbach: "Alles war froh über die Befreiung vom Nazi-Joch. Ungehindert konnten wir wieder unseren Gottesdienst halten und die Jugendarbeit wieder beginnen. Von einer weiteren Einquartierung blieben wir verschont..." Pfarrer Keilbach stellte einen Sittenverfall fest: "Im Übrigen hatte das 3. Reich die Moral schon derart unterhöhlt, dass die deutschen Frauen und Mädchen sich in würdeloser Weise an die Besatzungstrup-pen wegwarfen. Um einer Zigarette oder eines Brockens Schokolade wegen haben sie ihre Würde, Ehre und selbst eheliche Treue vergessen. Das Kriegsgeschehen geht durch den allgemeinen Zusammenbruch seinem Ende entgegen. Wie viel aber das 3. Reich an geistigen, sittlichen und religiösen Werten zerstört hatte, geht aus der Tatsache hervor, dass selbst in unserem Dorf viele sich der hier verlagerten Schuhe bemächtigten. Auf meine Veranlassung haben dann die betreffenden Per-sonen die Verlagerungsfirma Walch aus Heilbronn entschädigt. Materialistische Gesinnung und Gewissenlosigkeit als Folge der Vergangenheit nehmen immer mehr über Hand.
1946 befanden sich noch viele Obergriesheimer in Kriegsgefangenschaft. Wer Krieg und Gefangenschaft bereits überstanden hatte, wollte auch einmal für einige Stunden seine Not vergessen und sich vergnügen. Pfarrer Keilbach hatte hierfür kein Verständnis. Seinen Verdruss brachte er in die Pfarrchronik zum Ausdruck: "Man hätte meinen können, der Krieg bringe die Menschen zur Einkehr und Umkehr. Aber es beginnt ein völliger Vergnügungsrausch und eine unglaubliche Tanzwut. Auch G. hier beteiligt sich eifrig und hält Tanzbelustigungen am laufenden Band. Moral, Gewissenhaftigkeit u. Feierlichkeit schwinden immer mehr, trotz der großen Hungerkatastrophe in den Städten. Die deutschen Frauen und Mädchen entarten immer mehr". Halbwegs getröstet sah sich der Seelsorger durch den Umstand, dass im Dorf die Zucht noch gut sei. Frauen und Mädchen hielten die Ehre und Würde noch hoch. Der Pfarrer hoffte, dass dies so bleiben möge.

1946 nahm das Leben allmählich wieder seinen Gang. Zum Dank dafür, dass Obergriesheim den Krieg so glimpflich überstanden hatte, wurde eine in Heuchlingen an der Abzweigung nach Oedheim stehende, seit Jahren zerstörte Marienstatue von dem Obergriesheimer Bildhauer Streckfuß wieder hergerichtet und unter Beteiligung der ihre Dankbarkeit auf diese Weise ebenfalls ausdrückenden Gemeinden Untergriesheim, Duttenberg und Hagenbach wieder aufgestellt. Die Statue befindet sich heute an der Einfahrt zur Heuchlinger Mühle. Zu Gunsten der zerstörten Kirche in Höchstberg wurde ein Kirchenkonzert durchgeführt, das einen Er-lös in Höhe von 10.000 Reichsmark erbrachte.

Pfarrer Keilbach schrieb 1946 in die Pfarrchronik: "160 Ostflüchtlinge kommen für dauernd hierher. Unerträgliche Zustände entstehen". Die ungarische Interimsregierung hatte von den Siegermächten die Vertreibung der Deutschstämmigen aus ihrem Land gefordert, was im Potsdamer Abkommen vom August 1945 genehmigt wurde. Die Vertreibungen begannen im Januar 1946. Die Menschen mussten ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen und wurden in Güterwagen in die amerikanisch besetzten Zonen Deutschlands, darunter auch Nordwürttemberg, verbracht. Die Amerikaner bestimmten, wohin die Vertriebenen in Deutschland geschickt wurden. Der Wohnort in Ungarn war maßgebend dafür, in welchen Gebieten die Vertriebenen Aufnahme finden sollten. Nach Obergriesheim kamen besonders viele Bürger aus Etyek bei Budapest. Für die Unterbringung der heimatlos Gewordenen hatten Bürgermeister Wilhelm Holder und der Gemeinderat zu sorgen. Dem Entwurf eines Monatsberichts über die Wohnungslage an die Militärregierung vom März 1947 lässt sich entnehmen, dass es in Obergriesheim für rund 430 Einwohner 130 Wohnungen gab. Darin mussten ca. 160 Neuankömmlinge zusätzlich untergebracht werden. Das Zusammenleben zwischen den Wohnungsgebern und den Zwangseinquartierten war nicht immer leicht.

1947 fand in Obergriesheim 14 Tage lang eine sogenannte Volksmission statt. Zu diesem Zweck kamen auswärtige Priester in die Gemeinde, die dort das Glaubensleben intensivieren sollten. Dem Obergriesheimer Pfarrer erschien es wichtig, die Namen der Gemeindemitglieder aufzulisten, die sich nicht am von ihm erwarteten Sakramentsempfang beteiligten. Dass darunter auch "3 Flüchtlinge" waren, mag seinem sich unmittelbar anschließenden Eintrag in die Pfarrchronik zusätzliche Schärfe verliehen haben: "Die 1946 angekommenen Flüchtlinge waren anfänglich froh um die freudige Aufnahme, die sie bei der hiesigen Bevölkerung fanden. Sie werden aber immer unzufriedener und anspruchsvoller, es entstehen ganz ungute Verhältnisse. Die religiössittliche Haltung ist sehr oberflächlich. Es gibt wohl auch einige wenige Ausnahmen. Sie gliedern sich auch nicht in die Dorfgemeinschaft ein. Die gegenseitige Verbitterung wird immer größer. Wenn dieses Problem keine andere Lösung findet, gehen wir noch daran unter". Obergriesheim ist an den Heimatvertriebenen nicht untergegangen. Sie haben das Dorf in mancherlei Hinsicht bereichert und in den nächsten Jahren zum Wiederaufbau entscheidend beigetragen. Manch einer fand im Kreis der Neubürger seinen Ehepartner.

Die Jahre 1947 und 1948 waren auch für die Obergriesheimer schwierig. Pfarrer Keilbach schrieb in die Pfarrchronik, "es gibt keine Kohlen und nur wenig Holz." Waren die Nahrungsmittel 1947 ohnehin schon knapp, so verschärfte sich die Lage noch durch eine schlechte Getreideernte. Der Pfarrer berichtete von zahllosen Menschen, die täglich aus den Städten kamen und um Brot und Kartoffeln baten. Es wurden Wucherpreise verlangt, für einen Zentner Weizen Anfang 1948 1000 Reichsmark, 300 Reichsmark für ein Pfund Butter, 5 Reichsmark für ein Ei. Pfarrer Keilbach notierte: "Die Menschen haben kein Gewissen mehr. Die nächtlichen Einbrüche mehren sich. Es ist nicht mehr ratsam, bei Nacht allein auszugehen". Am 20. Juni 1948 kam die Währungsreform. Die Reichsmark wurde auf Deutsche Mark umgestellt und erfuhr eine Kürzung um 1:10. Pfarrer Keilbach bemerkte: "Wir sind nun wieder bettelarm und müssen neu beginnen." Positiv fand er: "Wucher und Schwarzhandel werden durch die Währungsreform empfindlich getroffen".

Seit langem war das Heuchlinger Wehr eine beliebte Badestätte. Besucher reisten sogar mit dem Zug an. Dem Obergriesheimer Seelsorger hingegen war das Familienbad, von dem sogar Ansichtskarten gedruckt wurden, ein Dorn im Auge. Für ihn war das Bad "der Tummelplatz des Teufels für die ganze Umgebung." Seine Empfindung schrieb er in der Kirchenchronik nieder: "Schamgefühl und Anstand ist diesen Menschen völlig verloren gegangen." Auch seine "unerhörte" Arbeitsüberlastung drückte den Priester. Seit 20. Januar 1948 müsse er neben Bachenau auch noch Untergriesheim und Hagenbach mitpastorieren. Den Priestermangel empfand er als derart groß, dass sich daran nicht so schnell etwas ändern werde. Ein Freudentag für ihn und die Gemeinde war allerdings der Palmsonntag 1949. An diesem Tag wurden drei neue Glocken geweiht, die zu der den Obergriesheimern im Kriege belassenen Glocke hinzukamen. Die Weihe nahm der Abt von Bad Wimpfen vor. Am 15. Mai 1949 besuchte Weihbischof Leiprecht unser Dorf.

1951 wurde Pfarrer Keilbach von Pfarrer Hanke abgelöst. Der Nachfolger nahm sich sehr der Bildung der bäuerlichen Bevölkerung an. Im November und Dezember 1954 führte er ein Ländliches Seminar mit vier Vorträgen durch, unter anderem zum Thema: "Lohnt es sich heute noch, Bauer und Bäuerin zu sein?" Im 2. Ländlichen Seminar von November 1955 bis März 1956 sprachen der Mediziner Dr. Schropp zu dem Thema "Du und sie" und die Diözesanjugendführerin Hauser über Anstand und Höflichkeit. Im März 1956 wurde der Ehefilm "Dr. Holl" gezeigt. In dem ab November 1956 beginnenden 3. Ländlichen Seminar standen unter anderem der "Grüne Plan" "- Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft" und das ländliche Wohnen auf der Tagesordnung. Fräulein Griek vom Landwirtschaftsamt Heilbronn empfahl, in einem Haus auf dem Land möglichst viele Zapfstellen anzubringen, denn "was fließt, braucht man nicht zu tragen". Auch solle das Bad nicht fehlen. Dekan Zeil hielt einen Vortrag mit dem Thema "Ein Ja zur Bundeswehr". Man müsse sagen, dass die 1955 eingeführte Bundeswehr eine Notwendigkeit gewesen sei. Als Mensch, Bürger und als Christ könne man ein Ja ohne alles Pathos dazu sagen. Im 4. Ländlichen Seminar referierte ein Kommentator des Süddeutschen Rundfunks über das Thema "Der Kreml und unsere Außenpolitik". Ferner wurden die Themen "Die Begegnung der Geschlechter" und "Der Mord auf der Straße" behandelt, über den Fahrlehrer Stephan referierte. Zum 5. Ländlichen Seminar im Dezember 1958 durfte Obergriesheim den ehemaligen Botschafter Ott begrüßen, der zum Thema "Neues Asien" sprach. Die Ländlichen Seminare fanden über die Ortsgrenzen hinaus guten Zuspruch.

Am 4. März 1950 feierte die Pfarrgemeinde Obergriesheim die Primiz des Paters Anton Link. Der Obergriesheimer war zwar schon 1936 zum Priester geweiht worden, hatte jedoch aufgrund der damaligen politischen Verhältnisse auf eine Primizfeier verzichtet. In seiner Predigt zeigte der Primiziant, dass er trotz 14 Jahren Peru den Obergriesheimer Dialekt nicht verlernt hatte. Er begrüßte die Gemeinde mit "Jetz isch´r do, dr Antonio." Am 1. November 1952 wurde die Kriegergedenktafel in der Kirche eingeweiht, die von Bildhauer Wolfsteiner aus Hüttlingen geschnitzt wurde. An Fronleichnam fand in diesen Jahren die traditionelle Pfarrgemeindefeier im Pfarrgarten gegenüber der Kirche statt. Herrschte wie 1953 schlechtes Wetter, wurde sie in den Saalbau Götzenberger verlegt.
In den 1950-er Jahren gab es noch mehrere aus Obergriesheim stammende Schwestern, die ihren Heimatort immer wieder besuchten. Die Orden machten kräftig für sich Werbung. Bei einem Einkehrtag der Mädchen im Schwesternhaus im Jahr 1954 bemühte sich der auswärtige Mädchenseelsorger bei den etwa 50 Anwesenden um Ordensnachwuchs. Er forderte die Mädchen auf, sich durch "kernige Frömmigkeit und vorbildliches Leben, besonders in der Bereitschaft zum Apostolat, zu bewähren". Wer seine Zukunft allerdings in Ehe und Familie sah, konnte sich in Obergriesheim in dem Vortrag "Welche Haltung fordert Christus vom katholischen Mädchen in der Begegnung mit dem Jungmann?" Ratschläge holen. Am 1. Mai 1954 fand erstmals, damals noch zusammen mit Duttenberg, die 1945 gelobte Wallfahrt zur wiederaufgebauten Kirche in Höchstberg statt.
Die Trägerschaft des Kindergartens und der örtlichen Krankenpflege lagen in den 1950er-Jahren noch in der Hand des Caritasvereins. Der Kindergarten und die örtliche Krankenpflegestation wurden von Schwestern des Kloster Reute geleitet. 1955 feierte die Obergriesheimer Schwesternstation ihr 50jähriges Bestehen. Im selben Jahr musste erstmals ein Kindergartenbeitrag erhoben werden, da die Mittel des Caritasvereins nicht mehr ausreichten. Da ab 1956 die Geburtenzahlen immer zweistellig waren - bei einer Einwohnerzahl zwischen 535 und 564! - musste im Jahr 1959 der Kindergartensaal vergrößert werden. 1959 trat Pfarrverweser Peter Weckenmann die Nachfolge von Pfarrer Karl Hanke an, der 1958 verabschiedet worden war. Am 29. September 1959 fuhren zwei Omnibusse aus Obergriesheim zum Kloster Reute bei Bad Waldsee, um an der Einkleidung von Schwester Annemarie Krauth (künftige Schwester Martina) teilzunehmen. 1959 ertönten die Obergriesheimer Glocken im Rundfunk, Oberlehrer Theoboldt spielte dazu auf der Orgel.

Welche Bedeutung die Landwirtschaft zu Beginn der 1960-er-Jahre in Obergries-heim noch hatte, zeigt der Umstand, dass Pfarrer Weckenmann am 7. Mai 1961 hier eine Schleppersegnung durchführte. Als Pläne aufkamen, die kleinen Dorfschulen zu größeren Verbänden zusammenzufassen, trat Pfarrer Weckenmann als entschiedener Gegner auf. Mit seiner Forderung, die Schulen in der "Krummen Ebene" in ihrer bisherigen Form beizubehalten, konnte er sich nicht durchsetzen. Sein Einsatz mit Rundschreiben und Leserbriefen blieb letztlich vergebens. Wegen der hohen Kinderzahl musste 1963 das Eintrittsalter in den 35 Kinder fassenden Kindergarten auf dreieinhalb Jahre heraufgesetzt werden. Beim seitherigen Eintrittsalter von drei Jahren wäre die Kinderzahl ab Ostern auf 50 angestiegen. Sämtliche Kinder wurden von nur einer Person, Schwester Engelmara vom Kloster Reute, betreut. Der Caritasverein setzte den monatlichen Kindergartenbeitrag für ein Kind eines Mitglieds auf 4 DM fest, für Nichtmitglieder auf den doppelten Betrag. Die Leistungen der Krankenschwester wurden ebenfalls teurer.

Zu Beginn der 1970er-Jahre hatte sich die Kirchengemeinde mit der Renovation des Gotteshauses zu befassen. Als im Januar 1970 den Bürgern im Saalbau Götzenberger die Pläne dargelegt wurden, war vor allem die ältere Generation wegen der zahlreichen Veränderungen und der hohen Kosten skeptisch. Dennoch wurde im Juli 1971 mit dem ersten Abschnitt der Kirchenrenovation begonnen. Mit Hilfe zahlreicher ehrenamtlicher Helfer wurden die Altäre abgebaut und eine Schutzwand zwischen Chor und Schiff erstellt. Während im ersten Bauabschnitt Chor, Seitenkapelle und Sakristei renoviert wurden, konnte so der Gottesdienst im Kirchenschiff gefeiert werden. Nachdem der erste Bauabschnitt im Dezember 1971 abgeschlossen worden war, war 1973 im zweiten Bauabschnitt das Kirchenschiff an der Reihe. Der Gottesdienst fand jetzt in Chor und Seitenkapelle statt. Die alte Empore wurde abgebrochen. Beim Graben der Heizungsschächte zeigte sich, dass das Kirchenschiff 1901 im Kirchhof errichtet worden war. Viele Knochen und Schädel kamen zum Vorschein. Am 23. Februar 1975 wurde der Alter der renovierten Herz-Jesu-Kirche von Weihbischof Herre aus Rottenburg konsekriert. Für die Kirchenrenovation hatten die Obergriesheimer bis dahin 67.000 DM an Spenden und Ei-genleistungen im Wert von 100.000 DM aufgebracht. Die Renovierungskosten betrugen 700.000 DM. Die Kirche hatte nun keine Seitenaltäre und keinen Mittelgang mehr.
Nach 18 Jahren Tätigkeit in Obergriesheim wurde Pfarrer Weckenmann nach Hardt im Schwarzwald versetzt. Am 22. Januar 1978 fand die Abschiedsfeier statt. Sein Nachfolger wurde Pfarrer Adolf Schuhmacher, der von dem im Obergriesheimer Pfarrhaus wohnenden Pensionär Reitmaier unterstützt wurde. Jahr für Jahr konnten die Priester weniger Gottesdienstbesucher begrüßen. Während allerdings 1987 in Deutschland nur noch jeder vierte Katholik die Sonntagsmesse besuchte, war es in Obergriesheim noch fast jeder zweite. Die Obergriesheimer Kirchengemeinde gab sich alle Mühe. den Zusammenhalt der Gläubigen zu stärken, unter anderem mit der 1987 wieder aufgenommenen Tradition unregelmäßig stattfindender Gemeindefeste. Wie oft bei Obergriesheimer Festen von Verein und Kirche konnte man am 27. September 1987 bei einem Wettbewerb anlässlich des Gemeindefestes einen einwöchigen Aufenthalt in Franz Götzenbergers Hotel "Bella Vista" in Zermatt gewinnen. Der Obergriesheimer hatte in die Schweiz geheiratet und brachte die Verbundenheit zu seinem Heimatdorf jahrelang durch solche großzügige Spenden zum Ausdruck. Im Oktober 1989 wurde auch in Obergriesheim das Laienelement in der Kirche gestärkt, indem künftig Kommunionhelfer mitwirkten. Auch zahlreiche notwendige Renovierungsmaßnahmen stellten die Kirchengemeinde immer wieder vor Herausforderungen: 1980 mussten der Glockenstuhl und die Turmuhr erneuert werden, 1984 waren das Kirchendach und 1986 der Kirchturm zu renovieren. 1988 wurde die Grotte instandgesetzt.

Der Weihnachtszeit wegen wollen wir in dieser Woche noch einmal 1.200 Jahre zurückspringen. Viele werden schon gehört haben, dass Kaiser Karl der Große an Weihnachten des Jahres 800 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde. Das war etwa zu der Zeit, als Obergriesheim erstmals urkundlich erwähnt wurde. Vielleicht hat sich schon der eine oder andere gefragt, wie die zum Frankenreich gehörenden Obergriesheimer damals die Weihnachtszeit erlebt haben. Unsere Gegend war damals schon christianisiert, sie gehörte zum 741 von Bonifatius gegründeten Bistum Würzburg. Im Laufe des 7. und 8. Jahrhunderts setzte sich der Brauch, das Fest der Geburt Jesu am 25. Dezember zu feiern, von Rom ausgehend auch in Deutschland durch. Es mag sein, dass die Obergriesheimer Häuser antiken Bräuchen folgend zum Jahreswechsel mit Zweigen geschmückt waren, aber alles was wir sonst mit Weihnachten verbinden, ist erst in späteren Jahrhunderten aufgekommen. Der erste Weihnachtsbaum z. B. ist erst für das Jahr 1419 in Freiburg dokumentiert, die erste Krippe mit lebenden Figuren soll Franz von Assisi im Jahr 1223 in Greccio aufgestellt haben. So werden sich unsere fränkischen Vorfahren allenfalls im Gottesdienst mit der Geburt Christi befasst haben.

Nachdem wir der Weihnachtszeit wegen einen Blick in die vergangenen Jahrhunderte geworfen hatten, befassen wir uns nun mit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Im Mai 1990 erhielten Obergriesheim und Gundelsheim mit dem aus Höchstberg stammenden Karl Müller einen neuen Pfarrer. Im selben Jahr wurde ein Pfarrverband Deutschorden gegründet, dessen Zweiter Vorsitzender Karl Wagner wurde. Am 29. Juni 1991 wurde der Obergriesheimer Bernd Gerstle zum Priester geweiht. Am 4. Dezember 1991 starb die aus Obergriesheim stammende und für ihre Missionstätigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Schwester Berta. Ihre letzte Ruhestätte fand sie in Bombay in Indien. 1992 feierte die Kirchengemeinde das 90jährige Weihejubiläum der Kirche. Aus diesem Anlass wurde beim Gemeindehaus eine Linde gepflanzt, in deren Pflanzloch verschiedene Obergries-heimer Erde aus ihrer neuen Heimat einbrachten, wie z. B. Franz Götzenberger aus dem schweizerischen Zermatt. Pfarrer Müller fügte Erde vom Berg Sinai und aus dem Heiligen Land hinzu. Am 14. November 1992 starb Pfarrer Karl Müller überraschend. Am 21. August 1994 wurde Pfarrer Christian Brencher als sein Nachfolger in das Amt des Gundelsheimer und Obergriesheimer Pfarrers eingeführt.
Die Kirchengemeinde Obergriesheim war in den 1990er-Jahren sehr aktiv. Mit Musik zum neuen Jahr in der Kirche (1990), Gemeindefesten (1992, 1995 und 1997), ökumenischen Kreuzwegen der KJG mit Gebetsnacht (z. B. 1994), der vierten kirchenmusikalischen Stunde (1993) und Rorateämtern mit anschließendem Frühstück im Gemeindehaus (seit 1996) reihte sich stets auch die Kirchengemeinde in den dörflichen Veranstaltungsreigen ein. Beim Gemeindefest 1995 wurden die Schwestern Alba und Christa verabschiedet, die zuvor als Kindergarten- bzw. Krankenschwester hier tätig waren. Die Ära einer Schwesternstation des Klosters Reute in Obergriesheim war zu Ende, dem Nachwuchsmangel der geistlichen Berufe zum Opfer gefallen. Am 8. November 1995 wurde das Gemeindehaus eingeweiht, an dessen Erstellung viele ehrenamtliche Kräfte mitwirkten. Im selben Jahr besuchte mit Dr. Anicet Sinaga ein indonesischer Bischof unser Dorf. Am 16. Mai 1996 führten die Obergriesheimer Gläubigen an Christi Himmelfahrt eine Prozession zum sogenannten "Römerhügel" durch, um dort zusammen mit den Gundelsheimer Gläubigen einen Gottesdienst zu feiern, ein Brauch, der bis zum heutigen Tage anhält.
1997 klopfte mit "Südwest 3" das Fernsehen bei der Obergriesheimer Kirchengemeinde an und wollte wissen, wie das Gemeindeleben der Zukunft aussieht, wenn es immer weniger Priester gibt. Drei Stunden lang filmten die Fernsehleute das Mitarbeitertreffen im Gemeindehaus und gewannen dabei ein Bild der vielfältigen kirchengemeindlichen Arbeit in Obergriesheim. Am 28. Februar 1997 wurde der Bericht ausgestrahlt. Im selben Jahr befasste sich die Kirchengemeinde mit dem Thema "Christliches Brauchtum". Dem interessierten Diözesankonservator aus Rottenburg erzählte der Zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Karl Wagner, vom Brauch des Kärren am Karfreitag, von der Kräuterweihe an Mariä Himmelfahrt und vom Frauentragen. Im Gegensatz zu den anderen beiden genannten Bräuchen war das Frauentragen 1997 schon lange aus der Mode gekommen. Bis in die 1950er Jahre hinein hatten einzelne Familien im Advent eine Marienfigur von Haus zu Haus getragen. 1999 feierte die Sozialstation ihr 25jähriges Bestehen. Gesellschafter der GmbH waren inzwischen die zwölf katholischen Kirchengemeinden aus Bachenau, Degmarn, Duttenberg, Gundelsheim, Höchstberg, Jagstfeld, Kochendorf, Obergriesheim, Oedheim, Offenau, Tiefenbach und Untergriesheim. Ihr Einzugsgebiet umfasste rund 32.000 Einwohner auf einer Fläche von 80 Quadratkilometern, 35 Mitarbeiter wurden von etwa 40 Helferinnen der Nachbarschaftshilfe unterstützt. Täglich wurden jetzt 120 Patienten versorgt.
Von 3. bis 31. Oktober 2004 führte Alex Link im alten Rathaus von Obergriesheim eine Ausstellung von Rosenkränzen aus drei Jahrhunderten durch. Dabei wurden Rosenkränze geweiht, die Alex Link aus dem Holz der 2003 aus Sicherheitsgründen gefällten alten Linde hatte herstellen lassen. Mit Bussen kamen sogar Besu-cher von auswärts und wurden von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Kirchenge-meinde im Gemeindehaus bewirtet. Auch sonst zeichnete sich das kirchliche Leben in der Gemeinde durch viele Aktivitäten aus. 2000 gab es ein Kirchenkonzert der Musikkapelle und bis 2010 in unregelmäßigen Abständen kirchenmusikalische Feierstunden, die abwechselnd von den Sängern und Musikern des Kirchenchores, des Singkreises Obergriesheim und der Eintracht gestaltet wurden. Um den Brauch der gesungenen Karfreitagsliturgie zu erhalten, hatte Ulrich Wörner 2006 die Idee eines Projektmännerchores, der seitdem die Tradition stimmgewaltig weiterpflegt. Am 6. Oktober 2007 organisierte die Obergriesheimer Kirchengemeinde einen Spendenlauf, dessen Erlös einem vierjährigen behinderten Jungen in Indonesien zugutekam. In einem von der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) am 14. November 2008 veranstalteten Gesprächsabend diskutierte man über gesellschaftliche Werte. 2009 wurde - zeitlich begrenzt - ein Bibelweg rund um Obergriesheim eingerichtet. Am 20. Februar 2011 fand ein Predigtgespräch statt: Nachdem man zunächst im Gottesdienst die Predigt gehört hatte, wurde nach dem Gottesdienst im Gemeindehaus über die Inhalte diskutiert.

Das Frühjahr und der Sommer des Jahres 2010 waren geprägt von einer großen Renovation der Außenfassade und der Fenster der Herz-Jesu-Kirche. Viele ehrenamtliche Stunden wurden in dieses große Projekt gesteckt. Die alte Turmzier war ebenfalls in die Jahre gekommen. Mit der Segnung der neuen Turmzier wurde am 3. Oktober 2010 die Kirchenrenovation offiziell abgeschlossen. In der Kugel der Turmziert hatte der KGR Dokumente und Bilder für die Nachwelt eingebracht. Im September 2011 konnten die neue Gemeindereferentin Beate Schmid in der Seelsorgeeinheit begrüßt werden. Das Jahr 2012 stand unter dem Motto "Den Aufbruch wagen" und einen solchen unternahmen einige Gemeindemitglieder am 9. September 2012 in Form eines Staffellaufs in die Bischofsstadt Rottenburg. Radfahrend, wandernd und laufend wurde die Strecke zurückgelegt, um dem Oberhirten einen Brief mit den Wünschen der Gemeinde an die Kirchenführung zu übergeben. Bischof Dr. Gebhard Fürst schenkte bei der Begrüßung höchstpersönlich Getränke aus und nahm sich die Zeit mit seinen Obergriesheimer Gästen zu diskutieren. Am 7. Dezember 2013 fand eine Nacht der offenen Kirche statt, in der verschiedene Obergriesheimer Akteure musizierten. Einen musikalischen Ohrenschmaus bot der Chor der Based Christian Church of Malaysia, der am 2. Mai 2015 in der Kirche auf-trat. Um den neuen Dorfplatz mit Leben zu erfüllen, machte die Kirchengemeinde am 11. September 2015 das Experiment einer Stuhlparty, bei der jeder Besucher seinen eigenen Stuhl und etwas zu essen mitbrachte. Die Veranstaltung fand guten Zuspruch und wird seitdem jährlich wiederholt. Besonderes Engagement zeigte die Kirchengemeinde, als sie Räume im Obergeschoss des Gemeindehauses zu einer Wohnung ausbaute und sie seit 14. Mai 2016 einer muslimischen Familie zur Verfügung stellt, die vor dem Krieg in Syrien geflüchtet ist. Im November 2016 ging Pfarrer Heinrich Weikart in den Ruhestand. Nach einer kurzen Vakanz wurde mit einem feierlichen Gottesdienst aller Gemeinden der Seelsorgeeinheit in Gundelsheim Pfarrer Hansjörg Häuptle am 12. Februar 2017 in sein Amt eingeführt.

Wegen des Priestermangels waren im Jahr 2000 die Gemeinden Bachenau, Gundelsheim, Höchstberg, Obergriesheim und Tiefenbach zu einer Seelsorgeeinheit zusammengefasst worden. Nichtsdestotrotz blieb das kirchliche Engagement im Dorf hoch. Mit einer Wahlbeteiligung von 69,9 % bei den Kirchengemeinderatswah-len im Jahr 2001 war Obergriesheim Spitzenreiter im Kirchenbezirk. Obwohl am 5. Oktober 2003 Pfarrer Brencher verabschiedet wurde und erst am 6. März 2005 sein Nachfolger Heinrich Weikart mit einem Gottesdienst in Obergriesheim begrüßt werden konnte, hielt Obergriesheim 2005 mit einer Beteiligung von 65,4 % seinen Spitzenplatz bei den Kirchengemeinderatswahlen. Zwischenzeitlich hatte die Kirchengemeinde sogar ein heutzutage ganz seltenes Ereignis feiern dürfen: Mit Ingo Kuhbach wurde am 6. Juli 2002 einer ihrer Söhne zum Priester geweiht.
2010 ging der Spitzenplatz bei den Kirchengemeinderatswahlen verloren. Die Wahlbeteiligung fiel in Obergriesheim auf 51,2 %. Insbesondere die jüngere Generation hält sich mit Gottesdienstbesuchen und erst recht mit kirchlichen Engagement zurück und so konnten bei den Kirchengemeinderatswahlen 2010 die eigentlich vorgesehenen acht Kandidaten nicht mehr gestellt werden. Am 14. Februar 2011 starb Karl-Heinz Remmlinger, der über Jahrzehnte Mesner und wandelndes Gedächtnis der Pfarrkirche war. Dagegen erfreulich: Im Oktober 2013 traten mit Rebecca Bachor und Nadja Kniel erstmals in der Obergriesheimer Kirchengeschichte Ministrantinnen ihren Dienst an, weibliche Sternsinger sind hier schon seit 2000 unterwegs. Seit 2005 ist Nicola Krauth 2. Vorsitzende des Kirchengemeinderats, sie löste Karl Wagner ab. Im September 2016 gab Barbara Krauth nach über 50 Jahren ihr Amt als Organistin auf; die Orgel wird heute von einem Team bespielt.

2010 Renovation der Kirche

Aufgrund starker Schäden an der Aussenfassade mit der Gefahr herunterfallender Steinbrocken, sowie Mängel an der Dachkonstruktion mit Beinträchtigung der Statik wurde eine grössere Renovierungsmaßnahme notwendig.
Im diesem Zuge wurden die Kichenfenster ebenfalls renoviert, auch die Turmzier musste aufgrund erheblicher Mängel erneuert werden.

2002 Lourdes Grotte

Heute ist die Grotte in einem schönen Zustand und ein Kleinod im Herzen des Neubaugebietes. Ein Besuch lohnt sich immer wieder. Herzlichen Dank an die Anwohner die dafür sorgen, dass die Grotte immer geschmückt und das Anwesen gepflegt ist.

3 Juni 1999: Einweihung der neu restaurierten Kreuzigungsgruppe

Einweihung der neu restaurierten Kreuzigungsgruppe in der Oberen Gasse Nr. 5. am 3. Juni 1999 mit anschließendem Gemeindefest. Das 200 Jahre alte Kreuz sei im Jahre 1792 von Joseph Geiger gestiftet worden. Das hinter der Kreuzigungsgruppe stehende Haus zählt zu den ältesten Häusern in Obergreisheim und wurde vom damaligen Bürgermeister Grohe gebaut.

Bei einem Spendenaufruf zur Finanzierung der Restaurierung kamen 10.600 DM zusammen.